Kommunale Aufsichtsratsmitglieder: Rechte, Pflichten, Haftung
Kommunale Aufsichtsratsmitglieder: Rechte, Pflichten, Haftung
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6. Entlastung<br />
Der Aufsichtsrat hat nach § 120 (1) AktG einen Anspruch darauf, daß die Hauptversammlung über die<br />
Entlastung seiner Mitglieder beschließt. Die Entlastung hat eine doppelte Bedeutung, indem die bisherige Verwaltung<br />
gebilligt und zugleich dem Aufsichtsrat das Vertrauen für die Zukunft ausgesprochen wird 130 . Aber<br />
für Vorstand und Aufsichtsrat der AG bedeutet nach der Vorschrift des § 120 (2) 2 AktG die Entlastung<br />
keinen Verzicht auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft. § 120 (3) AktG zeigt die enge Verbindung<br />
zwischen dem Recht der Entlastung und der Pflicht zur Berichterstattung nach § 171 (2) AktG.<br />
7. Abberufung<br />
7.1. Allgemeine Voraussetzungen<br />
Das Aufsichtsratsmitglied kann nach § 103 AktG abberufen werden. Ist der Vertreter der Gemeinde auf ihren<br />
Vorschlag von der Hauptversammlung gewählt worden, kann auch nur diese ihn mit einer Mehrheit von 3/4<br />
der Stimmen abberufen - § 103 (1) AktG. Etwas anderes gilt für den entsandten Vertreter. Dieser kann nach §<br />
103 (2) AktG von dem Entsendungsberechtigten - hier der Gemeinde - im Verhältnis zu AG jederzeit<br />
abberufen und durch eine anderes Aufsichtsratsmitglied ersetzt werden. Eine andere, nach den jeweiligen<br />
kommunalrechtlichen Vorschriften zu beurteilende Frage ist, ob dies auch im Verhältnis der Gemeinde zum<br />
Aufsichtsratsmitglied gilt. Dies hat damit zu tun, daß neben der Entsendung in der Regel in der Gemeinde die<br />
Bestimmung des zu entsendenden Mitglieds durch Verhältniswahl vorgesehen ist. Auch auf diesen Aspekt<br />
wollen wir im Zusammenhang mit den kommualrechtlichen Vorschriften eingehen. Das AktG steht der<br />
Abberufung eines entsandten Vertreters der Gemeinde auf jeden Fall nicht entgegen.<br />
7.2. Abberufung aus wichtigem Grund<br />
Aber auch bei einem gewählten oder entsandten Vertreter der Gemeinde kann die Abberufung durch die<br />
Aktiengesellschaft gemäß § 103 (3) AktG - durch das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrates oder von<br />
Aktionären, die 10 % des Kapitals repräsentieren - bei Vorliegen eines wichtigen Grundes betrieben werden 131 .<br />
Bei HEW/Janssen wurde die Abberufung des Ministers, der in Folge landespolitischer Vorgaben immer wieder<br />
gegen den Atomstrom votiert hatte, von einer Vereinigung betrieben, die eine entsprechende Mehrheit des<br />
Kapitals hinter sich brachte.<br />
Wann ein solcher wichtiger Grund vorliegt ist streitig 132 . Nach einer Auffassung soll ein wichtiger Grund für<br />
die Abberufung nur dann vorliegen, wenn ein kraß gesellschaftswidriges Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds<br />
vorliegt oder wenn dieses Verhalten für die Gesellschaft schlechthin untragbar ist 133 . Wesentlich weiter wird<br />
der Begriff von der Gegenmeinung gefaßt, die - in Anlehnung an andere zivilrechtliche Regelungen - es ausreichen<br />
läßt, wenn ein weiteres Verbleiben des Aufsichtsratsmitglieds bis zur Beendigung der Amtszeit für die<br />
Gesellschaft nicht zumutbar ist 134 . Gerade für den o.g. Fall ist diese Unterscheidung wichtig, heißt es doch in<br />
dem Beschluß des LG Frankfurt vom 14.10.86, daß das Abwarten der Gesellschaft nicht zumutbar sei, weil<br />
eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem fremdbestimmten Aufsichtsratsmitglied unmöglich sei.<br />
Reicht es also aus, daß ein Aufsichtsratsmitglied sich von der Gemeinde in seinem Abstimmungsverhalten<br />
maßgeblich beeinflussen läßt oder muß der Gesellschaft durch das Abstimmungsverhalten ein Nachteil bzw.<br />
Schaden erwachsen ? Das OLG Hamburg 135 konnte diesen Streit dahinstehen lassen. Wegen des<br />
130 Vgl. Hüffer 2 zu § 120<br />
131 HEW/Janssen - Beschluß des OLG Hamburg vom 23.1.90 in ZIP 90, 311 ff<br />
132 Decher ZIP 90, 277 ff, 281<br />
133 BGH in BGHZ 39, 116 ff, 123<br />
134 LG Frankfurt Beschluß vom 14.10.86 in NJW 87, 505 f, 506<br />
135 HEW/Janssen OLG Hamburg ZIP 90, 311 ff, 313, wobei allerdings das OLG eine deutliche Tendenz für die weite Auffassung<br />
des LG Frankfurt erkennen läßt