Kommunale Aufsichtsratsmitglieder: Rechte, Pflichten, Haftung
Kommunale Aufsichtsratsmitglieder: Rechte, Pflichten, Haftung
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echtlicher Normen ausgeübt werden dürften, zu unterscheiden 330 . Dabei steht im Hintergrund, daß nach allen<br />
Gemeindeordnungen die Stadt das Aufsichtsratsmitglied von den finanziellen Folgen der Entscheidung<br />
freistellen muß. Hier sei zumindest mittelbar auch ein Verstoß gegen die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen<br />
Haushaltsführung gegeben, so daß auch öffentliches Recht verletzt würde 331 . Damit würde zwar in<br />
den Ländern, in denen ein Weisungsrecht vom Bürgermeister oder Gemeindevorstand ausgeübt wird, keine<br />
Abhilfe geschaffen. Dort, wo es einer Entscheidung des Rates bedarf, wäre dies allerdings ein Lösung.<br />
Die Länder haben das Beanstandungsrecht recht unterschiedlich geregelt. In der Regel muß ein Ratsbeschluß<br />
beanstandet werden, wenn er rechts- oder gesetzeswidrig ist 332 . In vielen Fällen kann der Beschluß zusätzlich<br />
beanstandet werden, wenn er für die Gemeinde nachteilig 333 ist oder das Wohl der Gemeinde 334 gefährdet.<br />
Man wird allerdings Zusammenhänge zwischen der Kommunalaufsicht und der Beanstandung in der Gemeinde<br />
nicht leugnen können. Das OVG Münster hat in seinem Beschluß vom 17.4.75 dazu ausgeführt 335 :<br />
„Ebenso wie die Führung der Kommunalaufsicht gegenüber einer Gem. nach den §§ 106 ff GO ... dient die<br />
ebenfalls auf eine reine Legalitätskontrolle beschränkte Beanstandungspflicht des GemDir. nach § 39 (2) 1<br />
GO vielmehr ausschließlich dem Wohl der Gemeinde und der Wahrung der staatlichen Ordnung im<br />
Interesse der Allgemeinheit...”<br />
Als rechtswidrig wird man deshalb einen Beschluß nur dann bezeichnen können, wenn er öffentlich-rechtliche<br />
Rechtsvorschriften verletzt.<br />
Man kann einen gesellschaftsrechtlich unzulässigen Beschluß aber auch nicht unbedingt als nachteilig oder das<br />
Wohl der Gemeinde verletzend ansehen. Die Gemeinde kann durchaus aus ihrer öffentlich-rechtlichen Sicht<br />
berechtigt oder sogar gehalten sein, eine Weisung zu erteilen. Die Einflußnahme z.B. im Bereich der Daseinsvorsorge<br />
soll ja auch der Durchsetzung der gemeinderechtlich verbürgten Zugangsansprüche der Bürger<br />
dienen. Da, wo die Gemeindeordnung dem Bürger den Anspruch auf Benutzung z.B. eines Schwimmbades<br />
einräumt, muß die Gemeinde, wenn sie das Schwimmbad in Form einer GmbH betreibt, ggf. nach den<br />
gemeinderechtlichen Vorschriften eine Weisung erteilen, wenn die GmbH dem betroffenen Bürger den Zugang,<br />
weil z.B. eine Schadensersatzforderung wegen etwaiger Beschädigungen geltend gemacht wird, aus Sicht der<br />
GmbH zu Recht verweigert.<br />
Der Gesellschaft steht bei Befolgung der Weisung ggf. die Möglichkeit zu, eine Abberufung des<br />
Aufsichtsratsmitgliedes aus wichtigem Grund zu betreiben oder vor den Zivilgerichten einen <strong>Haftung</strong>sanspruch<br />
geltend zu machen. Sie ist also nach dem Zivilrecht nicht „wehrlos”. Uns erscheint es dann aber eine<br />
unzulässige Vermischung der öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Fragen zu sein, einen Beschluß zu<br />
beanstanden, weil er gesellschaftsrechtlich unzulässig sein sollte.<br />
9.5. Weisung an <strong>Aufsichtsratsmitglieder</strong> der AG<br />
Wie hat also das Aufsichtsratsmitglied zu verfahren, wenn die Gemeinde von ihrem Weisungsrecht Gebrauch<br />
macht, das gewünschte Verhalten aber gesellschaftswidrig wäre - wie bei HEW/Janssen der gewünschte<br />
Ausstieg aus der Atomenergie ? Dieser Frage wollen wir uns zuerst bezüglich der AG zuwenden. Die<br />
Bestimmung des § 111 (5) AktG, auf die es hier ankommt, gilt nach § 52 (1) GmbHG auch für die GmbH. Bei<br />
der Genossenschaft sieht § 38 (4) GenG eine dem AktG vergleichbare Regelung vor. Lehnt man für die AG ein<br />
330 Erichsen S. 24 Fn. 85<br />
331 Held u.a. 2 zu § 54<br />
332 § 43 (2) 1 GO BW, Art. 59 (2) BayGO, § 65 (1) GO Brand., § 54 (2) GO NW, § 33 (1) 1 KV M-V, § 42 (1) GO Rh-Pf, § 60<br />
(1) KSVG Saar., § 52 (2) SächsGO, § 44 ThürKO, § 62 (3) 1 GO Sa.-An.; in Niedersachsen ist nach § 65 (1) NdsGO<br />
unverzüglich der Aufsichtsbehörde zu berichten, wobei dies entfällt, wenn der Bürgermeister, was in seinem Ermessen steht,<br />
statt dessen beanstandet. Ein Unterfall eines rechtswidrigen Beschlusses ist es, wenn nach § 42 (1) GO Rh-Pf der Beschluß<br />
beanstandet werden muß, wenn er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit verletzt.<br />
333 § 43 (2) 1 GO BW, § 52 (2) SächsGO, § 63 (3) 2 GO Sa.-An.<br />
334 § 54 (1) GO NW, § 33 (1) 2 KV M-V, § 43 (1) GO Schl-H<br />
335 OVG Münster Beschluß v. 17.4.75 in Kottenberg/Rehn Nr. 5 zu § 39