Projet_Notre Vision DE
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<strong>Projet</strong>_<strong>Notre</strong> <strong>Vision</strong> <strong>DE</strong> 10/01/06 11:31 Page 100<br />
JONATHAN EVANS<br />
stellen müssen. Eine weitere Bewährungsprobe wird darin bestehen, abzustecken,<br />
wie die Europäische Union aussehen wird, der die Türkei und die Ukraine<br />
möglicherweise beitreten werden. Wird sie sich weiterhin zu der politischen<br />
Union entwickeln, auf die die Europäische Verfassung abzielt? Oder wird die<br />
Verfassung als historisches Artefakt, als Vermächtnis hochfliegender föderalistischer<br />
Ambitionen enden? Wenn diese Veröffentlichung in Druck geht, haben die<br />
Menschen Europas ihre Entscheidung über dieses Unterfangen noch nicht getroffen.<br />
Eines ist jedoch klar. Die Auseinandersetzung darüber, ob die EU zu einer<br />
politischen Union werden oder im Wesentlichen eine Partnerschaft von<br />
Nationalstaaten bleiben soll, wird nicht auf Großbritannien begrenzt bleiben. Ich<br />
bin stets der Ansicht gewesen, dass in einer Union von dreißig oder mehr<br />
Nationalstaaten dem Wunsch nach gemeinsamem Handeln als Ausgleich die<br />
Beibehaltung wesentlicher Elemente staatlicher Souveränität der Nationalstaaten<br />
entgegensetzt werden muss. Ob die Verfassung in ihrer heutigen Form der<br />
Angelpunkt für die langfristige Zukunft Europas sein wird, bleibt zu bezweifeln.<br />
Die Rolle der Europäischen Union auf der Weltbühne ist eine weitere wichtige<br />
Herausforderung, der wir uns in Zukunft zu stellen haben werden. Es gibt<br />
zwei Denkschulen, die – so befürchte ich – die Amtszeit von Präsident Bush<br />
lange überdauern werden. Der ersten zufolge ist es dringend erforderlich, dass<br />
Europa in zunehmendem Maße als Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten<br />
agiert. Der Oberlehrer dieser speziellen Schule ist Frankreich, während das<br />
Vereinigte Königreich sowie einige der ost- und mitteleuropäischen Länder die<br />
Opposition zu den französischen Ambitionen anführen. Die britische Denkschule<br />
vertritt den Standpunkt, dass Europa nicht darauf hoffen kann, der Militärmacht<br />
der USA ebenbürtig zu werden, und dass die transatlantische Partnerschaft zutiefst<br />
im europäischen Interesse liegt. Ich bekenne mich schuldig, ein Absolvent der<br />
britischen Schule zu sein, und zwar nicht, weil ich glaube, die USA hätten das<br />
Recht, von Europa zu erwarten, dass es mit jedem Abenteuer, auf dass sie sich<br />
einlassen, konform geht. Vielmehr behalte ich die langfristigen Perspektiven der<br />
internationalen Beziehungen im Auge. In zwanzig Jahren werden sich in anderen<br />
Teilen der Welt neue strategische Bündnisse herausgebildet haben. China z.<br />
B. entwickelt sich nicht nur zu einem wirtschaftlichen Riesen, sondern auch zu<br />
einer militärischen Supermacht. Die Europäer und die Amerikaner werden einander<br />
brauchen, um die Stabilität auf ihren eigenen Kontinenten, aber auch in den<br />
Teilen der Welt zu stärken, in denen neue Bedrohungen für unsere Sicherheit entstehen<br />
werden.<br />
All diese Herausforderungen sind miteinander verwoben. Sicherheit und<br />
Stabilität auf dem europäischen Kontinent können nicht ohne ein politisches<br />
System, das der demokratischen Kontrolle unterliegt und Akzeptanz genießt,<br />
bzw. nicht ohne ein umfassenderes Bewusstsein dafür gefestigt werden, wie wir<br />
uns am besten über unserer Grenzen hinaus gegen Bedrohungen verteidigen<br />
können. Die Geschichte zeigt jedoch, dass der Schlüssel für die Art und Weise,<br />
wie sich Gesellschaften entwickeln, im wirtschaftlichen Bereich liegt. Wohlstand<br />
ist die Grundlage der Stabilität der Demokratie und der friedlichen Koexistenz zwi-<br />
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