Projet_Notre Vision DE
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<strong>Projet</strong>_<strong>Notre</strong> <strong>Vision</strong> <strong>DE</strong> 10/01/06 11:31 Page 224<br />
JEAN SPAUTZ<br />
schen Rechtsetzung und die Beziehungen zu den nationalen Entscheidungsinstanzen<br />
zuständig waren. Die Minister selbst kümmerten sich quasi ausschließlich<br />
um die reinen Regierungsgeschäfte der Europäischen Union. Einige Jahre<br />
nach Inkrafttreten der Verfassung mussten die Minister nicht mehr Mitglieder des<br />
Europäischen Parlaments sein. Der Ruck, den Europa 2009 durch die massiven<br />
Parlamentskandidaturen nationaler Spitzenpolitiker gebraucht hatte, war erfolgt.<br />
Man konnte zur „Regierungsnormalität“ zurückkehren, die im Sinne der<br />
Gewaltenteilung verlangt, dass ebenfalls Nichtparlamentarier europäische Minister<br />
werden konnten. Hochqualifizierte Experten aus den verschiedensten Bereichen<br />
wurden so Mitglieder der europäischen Regierung. Die Verantwortung des<br />
Parlaments blieb jedoch die Gleiche.<br />
Europa war mit seiner neuen Regierung und einem nunmehr aus Mehrheit und<br />
Opposition bestehenden Parlament handlungsfähig und konnte sich der vollinhaltlichen<br />
Umsetzung der Verfassungsbestimmungen widmen. Die Grundlagen der<br />
politischen Organisation des Kontinents waren gesichert und sollten nicht wieder<br />
zur Disposition gestellt werden. Die Europäer hatten das Vertrauen in die<br />
Europäischen Institutionen zurückgewonnen.<br />
Kurz vor Weihnachten 2009 stimmten die Norweger über den EU-Beitritt ihres<br />
Landes ab. Eine Mehrheit von über 60 Prozent stimmte dieses Mal dafür – nachdem<br />
zwei Jahre zuvor noch gut 85 Prozent nichts mit dem erschlafften Europa<br />
von Ende 2007 zu tun haben wollten. In den folgenden Jahren nahm die ermittelte<br />
Zufriedenheit der Unionsbürger mit der europäischen Politik ständig zu.<br />
Die neuen Institutionen wurden ihrer Verantwortung gerecht, und auch mit nur<br />
noch knapp zehn Amtssprachen waren die Verwaltungsabläufe in Europa eine<br />
reibungslose Angelegenheit. Die Darstellung Europas in der Welt funktionierte.<br />
Die sozialen Bestimmungen zeigten Wirkung, die Arbeitsmobilität in Europa<br />
nahm zu.<br />
Als in Weißrussland der autoritär regierende Präsident in einer dramatischen<br />
Reaktion die Armee gegen sein eigenes demonstrierendes Volk zu mobilisieren<br />
begann, stellte ihm die europäische Regierung ein Ultimatum: er habe binnen sechs<br />
Monaten zurückzutreten, freie und faire Wahlen zu organisieren und diese von<br />
der Europäischen Union überwachen zu lassen, oder aber er würde mit dem<br />
Einschreiten der europäischen Armee rechnen müssen. An den Grenzen Polens,<br />
Litauens und Lettlands zu Weißrussland wurden europäische Truppen stationiert –<br />
mit dem Einverständnis des russischen Präsidenten. Als die Machthaber in Minsk<br />
erkannten, dass sie ohne die Unterstützung Russlands, das keinen bewaffneten<br />
Konflikt mit der Europäischen Union riskieren wollte, ausgespielt hatten, kam<br />
es dort zu den ersten freien Wahlen seit 1994. Weißrussland hatte sich nun ebenfalls<br />
definitiv auf den Weg nach Europa begeben. Als letzter europäischer Staat<br />
trat es Ende 2011 dem Europarat bei. Sechs Jahre später erfolgte die Aufnahme<br />
in die Europäische Union – zusammen mit der Türkei und den früheren sowjetischen<br />
Republiken Moldawien, Ukraine, Georgien, Armenien und Aserbaidschan.<br />
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