Projet_Notre Vision DE
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<strong>Projet</strong>_<strong>Notre</strong> <strong>Vision</strong> <strong>DE</strong> 10/01/06 11:31 Page 14<br />
HANS-GERT PÖTTERING<br />
Politik immer schwieriger, alle Faktoren vorherzusehen, die die Politik eines<br />
Kontinents bestimmen, der mehr und mehr von der Globalisierung beeinflusst<br />
wird.<br />
Nach Auffassung des griechischen Philosophen Epiktet besteht Weisheit darin,<br />
unterscheiden zu können zwischen Dingen, die in unserer Macht stehen, und<br />
denen, die nicht in unserer Macht stehen:<br />
— Wir wollen unseren Einfluss als größte politische Kraft im Europäischen<br />
Parlament zum Nutzen einer Europäischen Union einsetzen, die das institutionelle<br />
System der Gemeinschaft bewahrt, welches mit den Gründungsverträgen geschaffen<br />
wurde. Das Gleichgewicht und der Dialog zwischen einem demokratischen<br />
Europäischen Parlament, einer starken Kommission, die ihre Aufgaben als Garant<br />
der gemeinsamen Interessen der Europäer wahrnimmt, und einem Rat, der die<br />
Staaten zur Festlegung und Anwendung des europäischen Rechts auf nationaler<br />
Ebene verpflichtet, sind unverzichtbar. Dies ist für uns nicht verhandelbar. Die<br />
Rückkehr zum Europa der Achsen und Koalitionen kann nur zu Konfrontation<br />
und in die Sackgasse führen. Wir werden die Achtung des Rechts stets über die<br />
Anwendung von Gewalt stellen, Mehrheitsentscheidungen über den Gebrauch<br />
des Vetos und die Gleichheit zwischen den Staaten über die Neigung zur<br />
Blockbildung. Unsere Union kann nicht überleben, wenn sie hinter die institutionellen<br />
Prinzipien der Gemeinschaft zurückfällt. Eine Rückbildung der Union zu einer<br />
einfachen Freihandelszone wäre die schleichende Rückkehr zu einem Europa des<br />
Populismus und schließlich des Nationalismus, was wir entschieden ablehnen.<br />
— Angesichts der Ungewissheit, aber auch der Chancen, die die Zukunft bietet,<br />
muss Europa bereit sein, zuzuhören und sich in Bescheidenheit zu üben, und<br />
zwar in zwei Richtungen:<br />
– Einerseits innerhalb der Binnengrenzen, die über den Grad der anzustrebenden<br />
Integration und Vergemeinschaftung entscheiden. Jede europäische Gesetzgebung<br />
muss im Hinblick auf Subsidiarität, Kosten-Nutzen-Verhältnis und Zusatznutzen<br />
für den Bürger sorgfältig begründet werden. Wir werden Schritt für Schritt dafür<br />
sorgen, dass der Binnenmarkt optimal funktioniert – zum Vorteil der Verbraucher,<br />
der Beschäftigung, des Wachstums und der nachhaltigen Entwicklung. Aber ist es<br />
überhaupt möglich und wünschenswert, für die kommenden 15 Jahre die endgültige<br />
Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen europäischer und nationaler<br />
Ebene streng festzulegen? Wäre nicht eher Pragmatismus angebracht, wenn man<br />
bedenkt, dass der Aufbau Europas von Anfang an vor allem ein realistischer Prozess<br />
der Anpassung unserer Länder an eine sich unablässig wandelnde Welt gewesen<br />
ist? Ich bin überzeugt, dass jeder Versuch, Europa anhand eines „Idealmodells“<br />
aufzubauen, dass jede systematische Planung, die ohne Rücksicht auf die sich verändernde<br />
Realität unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft durchgesetzt werden<br />
soll, zum Scheitern verurteilt wäre und von der Öffentlichkeit abgelehnt würde.<br />
Die Union des Jahres 2020 muss Qualität über Quantität stellen. Bürokratische<br />
Auswüchse müssen sowohl auf der Ebene unserer Staaten und unserer Regionen<br />
als auch in Brüssel bekämpft werden. Als Europäisches Parlament könnten wir<br />
das geltende Gemeinschaftsrecht mit seinen Verordnungen und Richtlinien inner-<br />
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