Briefe über Syphilis

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So sind sie Alle, lieber Freund! Und nun die Moral: die
Leute der „guten Gesellschaft" sagen Ihnen niemals die reine
Wahrheit. Sie haben Verbindungen mit vornehmen Damen,
oder wieder andere, in welche sie das höchste Vertrauen setzen;
sie ahnen daher oft die Wahrheit gar nicht, die wahre Quelle
ihrer Krankheit, und suchen diese überall, nur nicht da, wo sie
wirklich ist.
Sic sehen also, wie schwer oft die Diagnose isl und wie
sehr Unrecht man thut, einen Chanker desshalb nicht als sol­
chen anzuerkennen, weil die Kranken uns nicht auf die Spur
seiner Entstehung verholten haben.
Weil ich also die Schwierigkeiten der Diagnose in einer
grossen Anzahl von Fällen kenne, weil ich die geschicktesten
Acrzte häufig sich habe irren sehen, habe ich gesagt und sage
ich noch heut, trotz alles Widersprechens, dass das einzige
posilive, unzweifelhafte, pathognoniische Zeichen des Chankers
in der Periode des Fori Schrittes oder des slatus quo, in dem
impfbaren Eiter, welchen er absondert, zu suchen ist, woraus
ich schliesse:
dass die Inoculation das sicherste Zeichen der Specificilät des
Chankers ist.
Ich habe in meinem 1838 publicirlen Werk gesagt, dass,
wenn man Mercur in allen Fällen virulenter Primitiv-Symptome
geben wollte, man sich auch vorher stets von der Virulenz
durch eine bei Zeilen ausgeführte künstliche Inoculation vergewissern
müsse. Aber, erschrecken Sie nicht, lieber Freund.
diese Operation, die einige nicht gern unternehmen, und die
man sogar für gefährlich zu hallen berechtigt ist, wenn man
sie nicht in seiner Gewalt hat, ist nicht nöthig für die Praxis
und ich habe sie auch niemals zu allgemeiner Anwendung empfohlen.
Prognose und Behandlung des Chankers beruhen auf
anderen Indicalionen, als auf denen der Virulenz; denn die In­
duration und ihre unmittelbaren Folgen lehrt die Inoculation
nicht erkennen, die Induration aber ist es, welche die Zukunft
voraussagt und eine speeifische Behandlung erheischt.
Das hoffe ich noch näher zeigen zu können.