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Briefe über Syphilis

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Vor einigen Jahren brachte Herr Lustermann, Professor<br />

am Val de Gräcc, einen Advocaten zu mir, der eine Gcschwulsl<br />

am unteren Augenlid trug, am Winkel des Auges. Die Ge­<br />

schwulst war hart, elastisch, halte eine granulirle Oberfläche<br />

und war in der Vernarbung begriffen. Diese Geschwulst war<br />

schon von mehreren Collegen besichtigt worden, und wenn<br />

mich mein Gedächtniss nicht lauscht, auch von mehreren Ocu-<br />

lisleu. Die Natur der Geschwulst war unbekannt geblieben.-<br />

Ich wurde befragt, um meine Meinung zu sagen, ob sie mit<br />

einem mehr oder weniger entfernten venerischen Antecedens in<br />

Verbindung stehe. Indem ich den Krauken sorgfältig examinirte,<br />

fand ich die Lymphdrüsen um das Öhr, die der Parotisgegend<br />

und der Unterkiefergegend geschwollen und hart. Auch die<br />

hinteren Cervieal-Ganglien fingen schon au zu schwellen. Die<br />

Oberfläche des Körpers war mit einem Exanthem bedeckt, welches<br />

der best charaklerisirtcn Roseola syphilitica glich. Linsen-<br />

grossc, schmulzigrothc Flecke, die unter dem Fingerdruck eine<br />

fahlgelbe Farbe annahmen. Kein Fieber, kein Jucken.<br />

Zum grossen Erstaunen des Herrn Lustermann war meine<br />

Diagnose so:<br />

„lndurirter Chanker am äusseren Winkel des Auges mit<br />

Successiv-Anschwellung der Öhr-, Paroliden- und Unterkiefer-<br />

Ganglien, mit seeundärer Schwellung der Cervieal-Ganglien.<br />

Roscola syphilitica; frühzeitige secundäre Symptome."<br />

Und zum grossen Verwundern des Kranken sagte ich ihm:<br />

Mein Herr, Sic haben vor drei bis vier Monaten längstens die<br />

contagiöse Materie, welche Ihnen die <strong>Syphilis</strong> eingeimpft hat,<br />

an Ihr Auge gebracht.<br />

Nachdem er sich von seiner Ueberraschung erholt hatte,<br />

sagte er: „Ich erinnere mich jetzt, dass ich mit einem Frauen­<br />

zimmer zusammen war und nach gewissen Berührungen ein<br />

heftiges Jucken an meinem Auge empfand. Ich rieb mich ziem- ><br />

lieh heftig mit der Hand, als es mich so lebhaft juckte und seit­<br />

dem, das ist richtig, ist mein Augenlid krank geworden."<br />

Wenn dieser Herr nun eine frühere oder begleitende Blen­<br />

norrhagie gehabt hätte, so hätte man ihr sowohl den Augen-<br />

Chanker als auch die seeundären Symptome zugeschrieben. Ich<br />

glaube, dass die Nase des vorher erwähnten Pharrnaeeulen sich<br />

in derselben Lage befand, als das Augenlid unseres Advocaten.

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