Briefe über Syphilis

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Alles was ich bisher von der Blennorrhagie gesagt, bezieht
sich auf den „einfachen" Tripper. Mag mau ihn nun hienach
für das Product eines eigentümlichen Virus hallen, oder nicht,
gleichviel, des Virus hat nichts gemein mit dem, welches die
Syphilis im eigentlichen Sinne bestimmt.
Jedoch kann, wie viele behaupten, diese Blennorrhoe Con-
sccutiv-Ersehcinungen bewirken, die vollkommen identisch mit
den vom Chanker erzeugten sind.
Unleugbar ist, dass eine grosse Anzahl von Kranken, die
au constitutioneller Syphilis leiden, nur einen Tripper als Veranlassung
anklagen.
Diese Kranken haben mitunter Recht. Ich leugne nicht
die Thatsache, aber nachdem ich sie constatirt habe, beruhige
ich mich nicht, sie in ihrer Nacktheit zu lassen und emphatisch
auf dieser „Thatsache" zu fussen und sie jeder weiteren Inter­
pretation hartnäckig zu entziehen.
Das Ganze reducirt sich auf Beantwortung folgender Frage:
Wenn der Tripper der Ausgangspunct für allgemeine Sy­
philis gewesen ist, war nicht alsdann etwas Anderes vorhanden,
als was wir oben unter Blennorrhagie im eigentlichen Sinne
kennen gelernt und verstanden haben?
Das Experiment hat bewiesen, — die pathologische Ana­
tomie hat es bestätigt, dass die Harnröhre und die tiefen und
versteckten Stellen der Genilalschleimhaut der Sitz des Chan­
kers sein und mithin die nothwendige Quelle allgemeiner Sy­
philis werden können.
Darum, weil der versteckt sitzende Chanker (chancre larve)
unbekannt war, stürzten die Theorieen Balfour's, Tode's, Bell's
und das ganze grosse Gebäude Hernaudez'scher Erfahrungen
zusammen.
Mit der Bestätigung der Hypothese des Harnröhren- oder
versteckten Chankers kann die Existenz einer virulenten Blen­
norrhagie nicht mehr bezweifelt werden. Letztere ist alsdann
identisch dem Chanker, sie ist der Chanker selbst.
Diese Idee isl nicht neu in der Wissenschaft und es wundert
mich, dass die Prioritäten-Jäger mich deshalb noch nicht
zur Rede gestellt haben. Indess ist es lange her, dass man von
Verschwärungcn in der Harnröhre gesprochen hat. Mayernc,
im 17ten Jahrhundert, schrieb die Blennorrhagie der Harnröhre