Briefe über Syphilis

157
Mein Verstand kann den erhabenen Standpunkt, von dem
aus das logisch ist, nicht erklimmen! Und Sie?
Aber weiter. Die Anhänger dieser Lehre sagen: Respectirt
den Chanker, er ist ein Wahrzeichen für das, was der
Kranke jetzt hat und was er später haben wird; heilt nicht
zu früh, denn das örtliche Symptom dient Euch dazu, diese
allgemeine Behandlung zu leiten, und nöthigt den Kranken, 6ie
zu befolgen.
Was halten Sie weiter von diesen Vorschriften? Welche
Satisfaclion muss es doch gewähren, so ganz unzweifelhaft
sich jeden Tag sagen zu können, der Kranke hat hier einen
Chanker und dieser wird ganz bestimmt die Veranlassung sein
zu den Symptomen, die später zu bekämpfen sein weiden!
Das Primitiv-Symptom dient, sagen sie, die ableitende Behandlung
zu leiten, und doch kein einziger dieser Herren, die
so sprechen, hebt, wenn der Chanker selbst nach ihrer Me­
thode geheilt ist, damit die Behandlung auf. Ihre Behandlung
ist ungefähr dieselbe für alle Fälle, eine stehende Dosis Mercur ,
in einer bestimmten Zeit zu verbrauchen, wie auch das Priini-
tivgeschwür beschaffen sei und wie lange es auch gedauert
haben möge. Und schliesslich, was halten Sie von einer Vorsicht,
die einen Chanker um sich greifen lässt bis zur Zerstö­
rung des Gliedes, alles nur um eine Richtschnur für die Be­
handlung zu haben. Vorsichtiger und schlauer kann man
nicht sein!
Man hat der Caulerisaliou vorgeworfen, sie begünstige die
Bubonen und zu dem Ende die armselige Statislik Bell's cilirt,
die durch einen einzigen Besuch im Höpital des veneriens zu-
nicht gemacht wird.
Das Geselz ist folgendes, Sic können es jeder Zeit verifi-
ciren: Es kommen mehr Bubonen ohne, als mit vorgängiger
Cauterisation vor. Die Cauterisation verhindert sie nicht stets,
aber sie erzeugt nie virulente Bubonen, oft aber kann sie ihnen
vorbeugen.
Mau hat, ich weiss es, viel Beobachtungen zu Gunsten
der Irrlehre, die ich bekämpfe, angeführt, aber sie haben alle
nicht mehr Werth als die, welche man irgendwo bei van
Swieten findet. In dieser Beobachtung handelt es sich nämlich
um einen Kranken, dessen Chanker länger als ein Jahr bestand,