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Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium

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segersteflur schafft neue Basen, die dann durch die Vegetation, welche sich auf ihnen<br />

einstellt, markiert werden. Alle Marken, sogar die jüngsten <strong>und</strong> oberflächlichsten, sind<br />

also ihrerseits bald wieder »markierte Basen«, an denen man Basis <strong>und</strong> Marken unterscheiden<br />

<strong>und</strong> die Transformation der Spur weiterschreiben kann.<br />

Bisher war die Rede von Marken auf dem Hordeetum. Diese Mäusegersteflur aber<br />

ist selbst wieder ein markierter Trittrasen, der seinerseits ein markierter Zierrasen ist.<br />

Das habe ich bereits beschrieben. Die originäre Basis (der Scherrasen) wurde markiert,<br />

diese 1. Marke (ein Trittrasen) wurde seinerseits zur Basis weiterer Markierung; diese<br />

2. Marke auf der 1. Marke (die Mäusegersteflur) wurde wiederum durch zahlreiche<br />

Marken 3. Ordnung markiert, die ihrerseits schon wieder markiert sind ... So stellt sich<br />

jede analysierte Spur als eine Kumulation/Sedimentation zahlreicher <strong>Spuren</strong> dar, jede<br />

Spur ist auch in diesem Sinn ein Signifikant aus Signifikanten, ein »Text«. Bezogen auf<br />

die originäre Basis aber ist die gesamte Spur auch immer »une base transformée par <strong>des</strong><br />

marques«, eine Basis, die durch Marken transformiert worden ist, wobei diese ganze<br />

Transformationsgeschichte interessiert.<br />

Auch methodologische Unterscheidungen in der »<strong>Theorie</strong> der Spur«, die zunächst<br />

spitzfindig erscheinen, erweisen sich als fruchtbar. Zum Beispiel die Unterscheidung<br />

von »originären« <strong>und</strong> »traditionalen« Marken. Die originären Marken stammen aus der<br />

Realisierungs- <strong>und</strong> originären Funktionszeit <strong>des</strong> ursprünglichen Signifikanten, die traditionalen<br />

Marken aus einer weiteren Überlieferungszeit (Überlebens- <strong>und</strong> Entwicklungszeit).<br />

Bisher handelt es sich nach dieser Terminologie ausschließlich um »traditionale<br />

Marken«. Der Ausdruck »originäre Marken« schärft unsere Aufmerksamkeit auf<br />

etwas bisher nicht Gesehenes, das aber vielleicht nur übersehen wurde.<br />

Was sind im Fall eines Cynosurion-Zierrasens »originäre Marken«? Alle Markierungen<br />

<strong>des</strong> Cynosurion, die aus seiner originären Funktionszeit stammen, <strong>und</strong> das ist hier<br />

die Zeit, in der er der Herstellungsintention gemäß als Zierrasen fungierte. 54 In einer<br />

solchen Situation entwickelt sich eine »Rasenansaat« zu einem »gealterten Zierrasen«.<br />

Was in dieser originären Funktionsphase unter vergleichbaren Bedingungen im einzelnen<br />

passiert, muß man aus dem relevanten Kontext erschließen. Wir können nämlich<br />

die typischen Entwicklungen städtischer Zierrasen zum Vergleich heranziehen. Der<br />

Vergleich bezieht sich in diesem Fall also auf einen (diatopisch-)diachronischparadigmatischen<br />

Kontext. 55<br />

54 Die »Herstellungsintention« muß sich nicht unbedingt auf die individuellen Akteure in diesem Hausgarten<br />

beziehen. Deren Intention ist für uns ja auch nicht mehr direkt erreichbar. Es handelt sich aber auf alle<br />

Fälle um die Intention, die schon im Handelsnamen (»Zierrasen«) <strong>und</strong> in der Artengarnitur der Ansaatmischung<br />

steckte.<br />

55 Begründung: Der Vergleich bzw. die Kontextualisierung <strong>des</strong> Zierrasens darf sich nicht so sehr »syntopisch«<br />

auf räumlich benachbarte Vergleichsstücke beziehen, sondern muß sich »diatopisch« auf u.U.<br />

entfernte Vergleichsstücke gleichen Typs beziehen. Der relevante Kontext ist eine Typologie bzw. ein Paradigma<br />

(neu angelegte <strong>und</strong> gealterte Scherrasen unterscheiden sich z.B. je nachdem, ob es sich um öffentliche<br />

Grünflächen, um suburbane Vorgartenrasen oder wie hier um hofseitige Rasen im Geschoßwohnungsbau<br />

handelt). Ferner sollte der Vergleichskontext sich nicht synchronisch an den Scherrasen um<br />

1993, sondern diachronisch an den Scherrasen der Entstehungszeit (um 1960/70) orientieren. Saatgutmischungen,<br />

Pflegeroutinen <strong>und</strong> potentielle Artengarnitur könnten sich ja verändert haben, zumin<strong>des</strong>t muß<br />

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