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Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium

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äumlichen <strong>und</strong> nutzungsspezifischen Differenzierung eignen. Damit ist sie zur<br />

Zeit das einzige analytische Instrument zur Beschreibung der qualitativen Freiraumsituation<br />

<strong>und</strong> ihrer Funktion‘« (Gröning <strong>und</strong> Wolschke-Bulmahn 1986, S.<br />

232).<br />

Hülbuschs Formulierungen umschreiben im erstzitierten Satz nur wieder das Programm<br />

»<strong>Spuren</strong>lesen in der Vegetation«. Was daran »antisozial« <strong>und</strong> »historisch bewußtlos<br />

naturorientiert« sein soll, bleibt das Geheimnis der beiden Soziologen. 26<br />

Auch der letztzitierte Satz von K.H. Hülbusch ist nicht ohne weiteres von der Hand<br />

zu weisen, wenn man ihn auf praktikable, d.h. relativ unaufwendige »Instrumente« der<br />

Freiraumanalyse bezieht, die der Freiraumplaner in jedem Fall mit Nutzen handhaben<br />

kann. Sicherlich muß dieses <strong>Spuren</strong>lesen in der Vegetation, wenn irgend möglich, auch<br />

durch aufwendigere Verfahren vor allem der qualitativen Sozialforschung ergänzt werden.<br />

Die Leute, die ihre <strong>Spuren</strong> hinterlassen haben, sollten auch selber zu Wort kommen<br />

<strong>und</strong> (in möglichst natürlichen Gesprächssituationen) ihre Sicht der Dinge zum<br />

Ausdruck bringen können. Für solche Zwecke sind aber die mir bekannten Fragebogen<br />

der »sozialwissenschaftlich orientierten Freiraumforscher« gänzlich ungeeignet.<br />

Wenn man schließlich nach dem spezifischen Unsinnsgenerator in den Köpfen der<br />

beiden Soziologen sucht, muß man wohl auf folgen<strong>des</strong> kommen: Der Unsinnsgenerator<br />

liegt vermutlich in ihrer Unfähigkeit zu begreifen, was eigentlich eine naturwissenschaftliche<br />

<strong>und</strong> was eine sozialwissenschaftliche Frage ist, oder in ihrer Unfähigkeit zu<br />

sehen, daß es zweierlei ist, etwas Physisch-Materielles als etwas bloß Physisch-<br />

Materielles (also naturwissenschaftlich) oder aber im Hinblick auf alltagsweltliches<br />

menschliches Handeln (<strong>und</strong> das heißt immer auch: emisch) zu beschreiben. Man könnte<br />

auch sagen: sie verwechseln »die Vegetation als physisch-materielles Ereignis« <strong>und</strong><br />

»die Vegetation als Zeichen«. Für Wissenschaftler ist das, vorsichtig gesagt, eine erstaunliche<br />

Konfusion. Um andere davor zu bewahren, sei sie hier noch einmal dokumentiert.<br />

Werfen wir noch einen Blick auf das Kontrasprogramm, von dem aus die Kritik<br />

konzipiert war. Um ein beliebiges Beispiel herauszugreifen: Seyfang (1980) erhebt<br />

Freiraumnutzung im Geschoßwohnungsbau durch zwei Fragebogenfragen. Erstens bekamen<br />

die Befragten eine Liste mit 18 »Tätigkeiten <strong>und</strong> Anlässen« vorgelegt <strong>und</strong> sollten<br />

maximal 5 davon ankreuzen: »Nennen Sie nun bitte diejenigen Tätigkeiten, die Sie<br />

bei schönem Wetter in den Grünflächen <strong>und</strong> Freianlagen hier am Haus meistens bzw.<br />

vor allem ausüben. Bitte nennen Sie bis zu 5 Tätigkeiten, die Sie gewöhnlich dort ausüben.«<br />

Nach den Tabellen (S. 175, S. 182) steht »Naturgenuß <strong>und</strong> Naturbeobachtung«<br />

mit 45,2% ganz weit vorne, nämlich schon an zweiter Stelle direkt hinter »Kinder beaufsichtigen<br />

<strong>und</strong> beobachten« (48,6%). Etwas später im gleichen Fragebogen sieht sich<br />

der Befragte dann aufgefordert, ohne Antwortvorgaben, also frei, auf folgende Frage zu<br />

antworten: »Welche wesentlichen Gründe gibt es für Sie, sich in den Grünanlagen <strong>und</strong><br />

Freiflächen am Haus aufzuhalten <strong>und</strong> diese zu nutzen?« Nun sind es nach der Tabelle S.<br />

231 nur noch 8,6% der Antworten, die etwas mit »ästhetischem Genuß, Freude an der<br />

26 »Historisch bewußtlos naturorientiert« sind eher Vegetationsk<strong>und</strong>ler, die – im Gegensatz zu K.H. Hülbusch<br />

– die Stadtvegetation anders, d.h. ohne diesen Bezug auf städtische Flächennutzungen betrachten<br />

wollen.<br />

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