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Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium

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schafts- <strong>und</strong> Fernrelationen: syn- <strong>und</strong> diatopischer Kontext);<br />

– der syntagmatische Kontext: die sequentielle Gliederung, überhaupt die Kombinatorik<br />

von <strong>Spuren</strong> <strong>und</strong> <strong>Spuren</strong>elementen;<br />

– der paradigmatische Kontext: die Äquivalenzklassen einer Spur oder der Elemente<br />

einer Spur (die möglichen Substitute einer Spur oder ihrer Elemente).<br />

Entsprechend gibt es topische, chronische, syntagmatische <strong>und</strong> paradigmatische Kontextualisierungen<br />

(d.h. Sinnerschließungen). Die ersten beiden Kontexte betreffen die<br />

Zeit- <strong>und</strong> die Raum-Dimension, die beiden letzten betreffen die Sachdimension. Die<br />

Kontexte auf der Raum- <strong>und</strong> Zeitdimension erhalten erst ihren Sinn, wenn sie mit den<br />

»eigentlichen Kontexten«, den Kontexten auf der Sach- oder Inhaltsdimension kombiniert<br />

werden, z.B. so, wie Abb. 9 es zeigt. 41<br />

Aber: »Pour l’opérateur historien,<br />

il n’y a d’autres contextes<br />

présents que le sien. Ceux<br />

de l’objet qu’il traite sont absents«<br />

(für den Historiker/<strong>Spuren</strong>leser<br />

gibt es keine anderen<br />

Kontexte als den, in dem er<br />

steht; die Kontexte <strong>des</strong> Objekts,<br />

das er erforscht, sind abwesend;<br />

224).<br />

Dieser Hinweis auf die radikale<br />

Abwesenheit der historischen<br />

Kontexte (<strong>und</strong> damit auf<br />

Abb. 9: Vier Arten von Kontexten: 1 synchronischsynstagmatisch,<br />

2 synchronisch-paradigmatisch,<br />

3 diachronisch-syntagmatisch, 4 diachronischparadigmatisch;<br />

vgl. Text.<br />

die radikale Abwesenheit der<br />

Bedeutung einer Spur) erinnert<br />

unmittelbar an Derridas<br />

»Aschenparadigma« <strong>des</strong> <strong>Spuren</strong>lesens<br />

(Derrida 1987; vgl.<br />

Hinweis <strong>und</strong> Interpretation bei<br />

Hard 1990, S. 44ff.). Die théorie de la trace ist durchaus offen für Dekonstruktion <strong>und</strong><br />

viele Varianten der modernen Hermeneutik-Kritik.<br />

Wie schon die Schrift, so hat <strong>und</strong> bewahrt auch die Spur von sich aus keinen Sinn,<br />

auch keine ihr innewohnende vis significativa, auch nicht eine Art Sinnleiche, die der<br />

Historiker oder <strong>Spuren</strong>leser wieder durch die Kunst <strong>des</strong> Verstehens oder sonstwie zum<br />

Leben erwecken könnte. Es gibt nur die materiellen <strong>Spuren</strong>, <strong>und</strong> es ist nicht sinnvoll<br />

sich vorzustellen, in ihnen stecke – wie eine Art von Geist oder Gespenst – ein »Sinn«,<br />

eine (ursprüngliche oder andere) »Bedeutung« oder auch nur eine sinnverleihende Kraft<br />

41 Ins Feld 1 fiele das Vegetationsmosaik (die Zonierung) eines Fußballplatzes (oder auch die mit ihm verb<strong>und</strong>enen<br />

Kontaktgesellschaften); ins Feld 2 fallen alle Ersatz- oder äquivalenten Gesellschaften, die diese<br />

Pflanzengesellschaften unter abweichenden Bedingungen vertreten könnten; ins Feld 3 fällt die Sukzessions-<br />

bzw. Entwicklungsserie, in der eine bestimmte Gesellschaft steht, ins Feld 4 fallen die äquivalenten<br />

Entwicklungs- oder Sukzessionsserien.<br />

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