Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium
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gelände), aber der methodengeregelte wissenschaftliche Umgang scheint den Gegenstand<br />
zu verwandeln <strong>und</strong> dabei so auszunüchtern, daß das primäre Interesse verkühlt<br />
<strong>und</strong> unbefriedigt bleibt. Der Forscher hat den Eindruck, daß seine primäre Faszination<br />
irgendwie leerläuft (bis hin zu dem bekannten Seufzer, das könne doch nicht alles gewesen<br />
sein), <strong>und</strong> dabei kann der Fasziniert-Enttäuschte gar nicht oder kaum sagen,<br />
worin seine Faszination oder Erwartung eigentlich bestand (<strong>und</strong> worin die Enttäuschung<br />
liegt). Kurz, der zunächst faszinierende Gegenstand verwandelt sich tendenziell<br />
wieder in ein »nasty little subject«, <strong>und</strong> »all one cares to know lies outside« (William<br />
James).<br />
Natürlich hat der Wissenschaftler Gelegenheit, sich auf der wissenschaftlichen Ebene<br />
sek<strong>und</strong>äre, auch sek<strong>und</strong>äre ästhetische Gegenstandsreize <strong>und</strong> Motivationen aufzubauen<br />
<strong>und</strong> sich sek<strong>und</strong>äre Befriedigungen zu beschaffen, wobei »sek<strong>und</strong>är« nicht werten<br />
soll. Schülern <strong>und</strong> Studenten ist der Aufbau sek<strong>und</strong>ärer Interessen oft weniger leicht<br />
möglich. Ihr Interesse, überhaupt ihre Bindung an den Gegenstand ist viel stärker darauf<br />
angewiesen, daß die primäre Faszination, zumal die primäre ästhetische Attraktion<br />
<strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> wirksam bleibt. Das setzt aber wohl im allgemeinen voraus, daß diese<br />
primäre Attraktivität (z.B. auch vom Lehrer) bemerkt, verstanden <strong>und</strong> als respektable<br />
<strong>und</strong> wichtige Erfahrung akzeptiert wird – <strong>und</strong> daß dies auch signalisiert werden kann.<br />
Dazu bedarf es wohl oft auch einer Explikation dieser Erfahrung, zumin<strong>des</strong>t dieser Erfahrungsebene.<br />
Beobachtet man falsch, wenn man feststellt, daß auch die gelegentlich ausbrechende<br />
Begeisterung begeisterter <strong>und</strong> animierender Vegetationsk<strong>und</strong>ler noch etwas mit solchen<br />
primären Faszinationen <strong>und</strong> mit der beschriebenen latenten Sinnschicht zu tun hat?<br />
Ähnliches konnte man wohl beobachten, wenn ein Landschaftsgeograph sich vor einer,<br />
zumal seiner Landschaft begeisterte. Man kann dabei aber auch beobachten, daß solche<br />
Begeisterungen leicht als etwas deplaziert, ja ein bißchen lächerlich betrachtet werden,<br />
so, als mache sich da jemand etwas vor, oder seine Begeisterung beziehe sich gar nicht<br />
auf die Gegenstände, von denen gerade wirklich die Rede ist.<br />
Das belustigte Befremden der Kollegen beruht wohl nicht zuletzt darauf, daß der allzu<br />
(<strong>und</strong> vor allem auf der »falschen« Erfahrungsebene) Begeisterte keine »sek<strong>und</strong>äre«<br />
<strong>Ästhetik</strong> ausgebildet zu haben scheint oder sich zumin<strong>des</strong>t jetzt von einem sozusagen<br />
vulgären Gegenstandsbezug überwältigen läßt, der am wissenschaftlichen Gegenstand<br />
vorbeigeht <strong>und</strong> mehr oder weniger peinlich an die Jugend unseres Geistes <strong>und</strong> unserer<br />
Disziplin erinnert. Es ist interessant, die einschlägigen Peinlichkeitsschwellen zu beobachten,<br />
die je nach Disziplin <strong>und</strong> Situation wohl sehr unterschiedlich sind (<strong>und</strong> auch<br />
durch stilistische Eleganz, überhaupt durch literarische Stilisierung bewegt werden<br />
können). Ellenbergs Beschreibung <strong>des</strong> Arrhenatheretum klinge wie eine Liebeserklärung,<br />
befand eine Studentin, <strong>und</strong> unter diesem Gesichtspunkt wird man vor allem in der<br />
älteren Vegetationsk<strong>und</strong>e auf Schritt <strong>und</strong> Tritt fündig. Worin die primäre (zwar z.T. literarisch<br />
vermittelte, aber doch vor- <strong>und</strong> außerwissenschaftliche) <strong>Ästhetik</strong> der Steppenheide-Vegetation<br />
lag, habe ich einmal im Detail beschrieben. Was in älterer Wissenschaft<br />
noch expliziert wurde, ja, »was in den Anfängen unserer Wissenschaft noch Kategorie<br />
der Darstellung, ja der Forschung selbst sein konnte <strong>und</strong> das wissenschaftliche<br />
Schrifttum so mit der literarischen Tradition verband, das ist heute aus dem wissen-<br />
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