Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium
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kulturökologischen Perspektive erscheint die Vegetation darüber hinaus <strong>und</strong> vor allem<br />
in einem Kultur-Natur- oder Mensch-Umwelt-Zusammenhang, d.h. vor allem als<br />
kultur-, nutzungs- <strong>und</strong> handlungsbedingt, als Ausdruck eines Flächennutzungspotentials<br />
<strong>und</strong> Ergebnis einer Flächennutzungsgeschichte. Um es noch einmal zuzuspitzen: Im<br />
ersten Fall erscheint die Vegetation als Bestandteil der physisch-materiellen Welt (also<br />
als Bestandteil von Poppers Welt 1) <strong>und</strong> wird naturwissenschaftlich auf der Ebene<br />
natürlicher Kausalitäten interpretiert; im zweiten Fall erscheint die Vegetation eher <strong>und</strong><br />
vor allem als Bestandteil einer Kultur, d.h. der sozialen Welt (also als Bestandteil von<br />
Poppers Welt 3) <strong>und</strong> wird eher auf der Ebene von Kultur, Handlungen <strong>und</strong> Symbolen<br />
interpretiert – ob der Interpret, z.B. der Vegetationsk<strong>und</strong>ler, dies so sieht oder nicht,<br />
spielt dabei keine Rolle.<br />
Im ersten Fall könnte man in gewagter, aber plastischer Metaphorik von hardware,<br />
hardware-Ebene <strong>und</strong> hardware-Interpretation der Vegetation sprechen, im zweiten Fall<br />
von software, von der software-Ebene <strong>und</strong> der software-Interpretation der Vegetation.<br />
Im ersten <strong>und</strong> im zweiten Fall ist prinzipiell von ganz anderen Gegenständen, von<br />
ganz anderen Taxa <strong>und</strong> Syntaxa die Rede, mittels derer die Welt jeweils ganz anders<br />
zugeschnitten wird <strong>und</strong> die nur einzelfallbezogen (»idiographisch«) miteinander kompatibel<br />
gemacht werden können. Im ersten Fall ist z.B. die Rede von Veronica filiformis<br />
(Fadenförmiger Ehrenpreis) <strong>und</strong> Papaver rhoeas (Klatschmohn), im zweiten Fall z.B.<br />
von Kraut <strong>und</strong> Unkraut – wobei Papaver rhoeas <strong>und</strong> Veronica filiformis, je nach der<br />
kulturell, zeitlich <strong>und</strong> situativ unterschiedlichen Semantik, das eine oder das andere sein<br />
können. 8 Auf das Verhältnis dieser »Sprachebenen« zueinander komme ich zurück.<br />
Die Verknüpfung der Ebenen (der hardware- <strong>und</strong> der software-Ebene) erfolgt interpretativ,<br />
nämlich über die Bedeutungen, die die hardware in dem jeweiligen sozialen<br />
Kontext hat. In kulturökologischer Perspektive, <strong>und</strong> d.h. auch: bei der software-<br />
Interpretation der Vegetation, erscheint die Vegetation letztlich als Teil einer kulturellen<br />
Semantik, an der Handeln, Denken <strong>und</strong> Kommunizieren sich orientieren.<br />
Die Vegetationsk<strong>und</strong>ler <strong>und</strong> Vegetationsgeographen benutzten, wenn sie kulturökologisch<br />
dachten, im allgemeinen die mehr oder weniger an die fremde Kultur angepaßte<br />
Semantik ihrer eigenen Sprache <strong>und</strong> Kultur, auch vor exotischer Vegetation in exotischen<br />
Kulturen. Der ideale Zugang hätte darin bestanden, vor Ort auch zum Ethnobotaniker<br />
zu werden, der die Eigensemantik der zugehörigen Kultur mituntersucht <strong>und</strong> ihre<br />
Welt (in diesem Fall: die Vegetation <strong>und</strong> den Umgang mit ihr) auch im strikten Sinne<br />
»emisch« beschreibt, d.h. aus der Insider-Perspektive. Die zentralen Fragen lauten dann<br />
etwa: Wie werden Flora <strong>und</strong> Vegetation jeweils semantisiert, wie werden sie vor Ort<br />
interpretiert, zumal von denen, die auch handelnd mit der Vegetation in Berührung<br />
kommen? Aber z.B. auch: Welches sind die kulturspezifischen Verhaltensvorschriften<br />
im Umgang mit der Vegetation? Nur so gelingt ja ein »wirkliches Verständnis«. Nicht<br />
selten sind Vegetationsk<strong>und</strong>ler <strong>und</strong> Vegetationsgeographen diesem Ideal ein Stück weit<br />
8 Papaver rhoeas kann unter anderm als zu bekämpfen<strong>des</strong> Ackerunkraut, als freudig begrüßtes Wildkraut<br />
<strong>und</strong> als intendierte Zierpflanze (z.B. in sog. Blumen- oder Ökowiesen) auftreten, Veronica filiformis als<br />
intendierter Grotten- <strong>und</strong> Ampelschmuck, als auszurottende »Rasenpest« <strong>und</strong> als zu duldender bis hochwillkommener<br />
Bestandteil von Ökorasen <strong>und</strong> »Blumenwiesen«.<br />
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