Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium
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wird. 32 Die »ikonographische« Beschreibung soll also aus der vorikonographischen<br />
heraus entwickelt werden. Nur so scheint gewährleistet, was dem Autor letztlich vorschwebt:<br />
Das Verstehen einer Landschaft <strong>und</strong> ihrer oft dramatischen Veränderungen<br />
gleichsam »von innen«. Man vergleiche seine Devise: »Der Plan der Landschaft ist die<br />
Erzählung ihrer Geschichte«, <strong>und</strong> zwar in der Perspektive <strong>und</strong> im Horizont ihrer Produzenten.<br />
Soweit das vegetationsk<strong>und</strong>lich-landschaftsplanerische Dreistufenmodell der Interpretation.<br />
Es ist leicht zu sehen, daß die kunsthistorischen Termini dabei weitgehend<br />
verändert wurden.<br />
Schon das Verhältnis von vorikonographischer <strong>und</strong> <strong>und</strong> ikonographischer Beschreibung<br />
ist in der Kunstgeschichte ein völlig anderes. Zwar beruht auch hier die Bedeutung<br />
der vorikonographische Beschreibung, die Beschreibung <strong>des</strong> »primären Sujets«<br />
<strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>, auf einer praktischen Erfahrung <strong>und</strong> Vertrautheit mit alltagsweltlichen Gegenständen<br />
<strong>und</strong> Ereignissen. Die ikonographische Analyse aber bezieht sich auf eine<br />
ganz andere Welt <strong>und</strong> Semantik, auf eine gegenüber der vorikonographischen Welt <strong>und</strong><br />
Semantik weitgehend autonome Sinnregion: nämlich auf eine Welt von »bildungsmäßig<br />
Hinzugewußtem« (Panofsky), eine Welt von literarischen Konventionen, Fabeln, Geschichten,<br />
Allegorien, Symbolen. Eine Frau mit verb<strong>und</strong>enen Augen bedeutet dann z.B.<br />
die Gerechtigkeit, eine Blume Vergänglichkeit, ein Löwe den Erlöser <strong>und</strong> ein ferner<br />
Kirchturm den rechten Lebensweg. Zwischen vorikonographischer <strong>und</strong> ikonographischer<br />
Beschreibung herrscht Diskontinuität. Der Ikonograph kompensiert den Bildungsverlust<br />
der »Lebensweltler«, d.h. der Nichtspezialisten.<br />
Auch ein zweiter Punkt hat überhaupt keine Parallele in dem, was bei Lührs »ikonographische<br />
Analyse (der Vegetation)« heißt: Die ikonographische Analyse <strong>des</strong> Kunsthistorikers<br />
zielt darauf, den vom Künstler <strong>und</strong>/oder Auftraggeber, allgemeiner: den vom<br />
Produzenten »intendierten« oder »gemeinten Sinn« <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> (the intended meaning)<br />
zu identifizieren.<br />
Die erregte Tischgesellschaft auf Leonardos Fresko meint das letzte Abendmahl (intendiert<br />
eine Darstellung <strong>des</strong> letzten Abendmahls), <strong>und</strong> der kunsthistorische Ikonograph<br />
identifiert diesen gemeinten Sinn, indem er einen Text (d.h. die Textreferenz <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>)<br />
ausfindig macht, z.B. die Evangelien, <strong>und</strong> dann auf diese oder jene Weise nachweist,<br />
daß der eruierte Text den vom Bildproduzenten intendierten Sinn <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> enthält.<br />
(Da das letzte Abendmahl in unserer Kultur oft noch zum allgemeinen Wissen der<br />
Nichtspezialisten gehört, ist diese Dekodierung relativ einfach.) Das ist aber etwas total<br />
anderes als das, was bei Lührs »ikonographische Analyse« heißt.<br />
Wenn man sich schon auf das kunstwissenschaftliche Interpretationsmodell beziehen<br />
will, dann läge sogar näher, gerade die naturwissenschaftliche oder auch die<br />
vegetationsk<strong>und</strong>liche Beschreibung »vorikonographisch« zu nennen <strong>und</strong> von der ikonographischen<br />
Ebene dann zu sprechen, wenn die Vegetation nach ihrer kulturellen,<br />
sozialen, ökonomischen ... Bedeutung, z.B. nach ihrem sozialen Sinn <strong>und</strong> symbolischen<br />
Gehalt beschrieben wird. In eben diesem Sinn haben z.B. historische Geographen ihre<br />
32 Gerade die ersten Generationen von mitteleuropäischen Vegetationsk<strong>und</strong>lern <strong>und</strong> Pflanzensoziologen haben<br />
ihre Begriffe <strong>und</strong> Interessen ja in enger Anlehnung an die alltagsweltlichen Erfahrungen bäuerlichen<br />
Wirtschaftens entwickelt, also die Verbindung mit dem »alltagsweltlichen Horizont« nie verloren.<br />
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