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Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium

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zum (diatopisch-)diachronisch-paradigmatischen Kontext <strong>des</strong> Gartenbrache-Hordeetum<br />

in der Wörthstraße gehört. Diese Kontexte machen sozusagen für uns die Experimente,<br />

die wir nicht durchführen können <strong>und</strong> die auch meistens nicht realistisch genug wären,<br />

wenn man sie arrangieren würde.<br />

Wie man sieht, wird der Rasen am stärksten von seiner nordwestlichen Ecke – in der<br />

Zeichnung oben links – betreten <strong>und</strong> zeigt einen Gradienten abnehmender Trittbelastung<br />

von Westen nach Osten. Die Mäusegerste-Dichte nimmt in dieser Richtung zu.<br />

Ein Hordeetum säumt am Rasenkantenstein entlang den Rasen. Mäusegerste-Säume<br />

wachsen auch an der Hauswand, vor den Ruderalstauden (im Osten) sowie am Fuß der<br />

zahlreichen Betonpfähle. Die übrigen Einzelheiten <strong>des</strong> Vegetationsmosaiks kann ich<br />

hier übergehen.<br />

Wenn nun solche, wenigstens teilweise etwas offenen Trittrasen nicht oder kaum mehr<br />

betreten werden, erobert die weniger trittverträgliche Mäusegerste rasch die ganze Fläche<br />

<strong>und</strong> überwächst das Lolio-Plantaginetum, indem sie sich in den kleinen Leerstellen<br />

ansiedelt. Dann entstehen fast reine Mäusegersteflecken oft gerade da, wo vorher am<br />

meisten betreten <strong>und</strong> der Trittrasen am stärksten geöffnet (»weggetreten«) war, z.B. vor<br />

Wäscheseilen, vor Teppichstangen <strong>und</strong> unter Kinderspielgeräten. Wo vorher Erosionsmarken,<br />

ja Erosionsmulden waren, findet man nun Akkumulations- bzw. Wachstums-<br />

Marken in Gestalt von Mäusegerste-Dominanz. Solche Entwicklungen habe ich mehrfach<br />

beobachten können, vor allem auch auf ehemals stark genutzten, nun mehr oder<br />

weniger aufgelassenen Kinderspielplätzen in demographisch gealterten Geschoßwohnungsbau-Quartieren.<br />

Diese Kontexte erklären das, was auf dem Hordeetum in der Wörthstraße passiert ist<br />

(nämlich die »Ruderalisierung« eines Trittrasens zu einem Mäusegerste-Rasen). Das<br />

Eindringen von Hordeum murinum in wenig betretene Scherrasen ist dagegen im<br />

nordwestdeutschen Raum noch ungewöhnlich. Erst in jüngster Zeit findet man häufiger<br />

Mäusegerstesäume auch am Rande öffentlicher Grünflächen. Das ist aber im wesentlichen<br />

eine Folge kostenbedingter Extensivierung der Grünflächenpflege durch die Grünflächenämter.<br />

Der Mäusegerstesaum setzt sich am ehesten an den Rasenkantensteinen<br />

<strong>und</strong> den für Osnabrück typischen, niedrigen hölzernen Riegelzäunen fest, zumal an den<br />

Pfosten, dann auch zwischen den Pfosten. So entsteht ein Mäusegerstestreifen zwischen<br />

gepflegtem Rasen <strong>und</strong> Gehwegpflaster: Da kommt man ja mit der Mähmaschine<br />

schlecht hin. Früher wurde auch an solchen Stellen möglichst akkurat geschnitten, <strong>und</strong><br />

zwar, wenn es sein mußte, mit Hand; das geschieht heute nur noch in den repräsentativsten<br />

Lagen. Oft wurden sogar die Rasenkanten abgestochen <strong>und</strong> ein schmaler Streifen<br />

mit Hacke <strong>und</strong> Herbizid vegetationsfrei gehalten, oft auch ein Kreis um die Pfosten <strong>des</strong><br />

Riegelzauns herum. Hier ist auch die Deponierung von H<strong>und</strong>efäkalien am stärksten <strong>und</strong><br />

öffnet den Rasen. 56<br />

56 Wenn allerdings Pflege oder Störung an den beschriebenen Grenzen <strong>und</strong> Rändern ganz aussetzen, dann<br />

kommen die Ruderalstauden hoch. Das konnte man typischerweise in den Quartieren beobachten, die von<br />

Angehörigen der englischen Streitkräfte bewohnt wurden; sie waren schon um 1980 sozusagen zwei<br />

Schritte in der Sukzession weiter.<br />

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