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Spuren und Spurenleser. Zur Theorie und Ästhetik des - repOSitorium

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tagssprache rückübersetzen, um das mit den ökophysiologischen Begriffen gemeinte in<br />

der städtischen Wirklichkeit wiederzufinden <strong>und</strong> sinnvollerweise auf die Suche gehen<br />

<strong>und</strong> Prognosen anstellen zu können.<br />

Es kommt noch etwas dazu. Was eine »Erklärung von oben nach unten« genannt<br />

wurde, ist in der Vegetationsk<strong>und</strong>e, bei Licht besehen, oft weitgehend eine »Erklärung<br />

auf der oberen Ebene« allein. Die »untere«, rein naturwissenschaftlich formulierte Ebene<br />

muß, um »von oben« erklärbar zu sein, immer schon weitgehend in handlungsbezogene<br />

Termini übersetzt worden sein. Das fällt dem Vegetationsk<strong>und</strong>ler nicht so auf,<br />

weil seine Beschreibungsraster oft ziemlich nahe an der Alltagssprache liegen, <strong>und</strong> in<br />

dieser alltagssprachlichen Semantik ist die genannte Übersetzung in handlungsbezogene<br />

Begriffe immer schon vollzogen. Die »mechanischen Faktoren« z.B. sind immer schon<br />

in »Tritt«, »Befahren«, »Verbiß«, »Mahd« <strong>und</strong> ähnliche handlungsbezogene Termini<br />

übersetzt, Termini, die unmittelbar mit Intentionen, Handlungen <strong>und</strong> sozialen Phänomenen<br />

verknüpft <strong>und</strong> auch auf der sozialwissenschaftlichen Beschreibungsebene verwendet<br />

werden können. (Das gilt, wie man sich durch entsprechende Gedankenexperimente<br />

leicht überzeugen kannn, im Prinzip auch für die anderen Standortfaktoren.)<br />

Aber selbst wenn man alles auf der »unteren«, physisch-materiellen, im eigentlichen<br />

Sinn naturwissenschaftlichen Ebene erklären könnte (was in der Vegetationsk<strong>und</strong>e selten<br />

der Fall ist), sogar dann wäre eine »Erklärung auf der oberen Ebene« oder eine »Erklärung<br />

von oben nach unten« nicht überflüssig. Das gilt ziemlich allgemein, nicht nur<br />

für die Vegetationsk<strong>und</strong>e. Zum Beispiel: Selbst wenn man immer in rein physikalischen<br />

Termini über das Wetter sprechen könnte, würden die übliche Sprechweise oder der<br />

allgemeinverständliche Wetterbericht nicht überflüssig.<br />

Erstens (wie schon gesagt), weil es zwischen den beiden Sprachen oft keine eindeutigen,<br />

sondern nur lockere disjunktive Beziehungen gibt; die Konstrukte <strong>und</strong> Ereignisse<br />

auf der einen Ebene (z.B. »aufheiternd«) haben dann sozusagen kein systematisches<br />

Echo auf der anderen. Sie sind bis zu einem gewissen Grade (wie man sagt) inkommensurabel,<br />

gerade auch im Fall der Vegetationsk<strong>und</strong>e.<br />

Zweitens aber paßt nur die eine, die weniger exakte dieser Sprachwelten einigermaßen<br />

zu alltäglichem Kommunizieren <strong>und</strong> Handeln <strong>und</strong> zu professioneller Praxis. Diese<br />

Art der Beschreibung ist dann praktisch unersetzbar, auch wenn sie prinzipiell übersetzbar<br />

ist.<br />

Das wiederholt sich auf vielen Ebenen: Auch ingenieurwissenschaftliche Gesetze<br />

könnte man oft viel physikalischer formulieren, aber sie sind oft gerade in ihrer nichtexakten<br />

Form für übliche Konstruktionspraxis besser geeignet. Für den alltäglichen<br />

Umgang mit Elektrizität wiederum sind oft schon ingenieurwissenschaftliche <strong>Theorie</strong>n<br />

ziemlich unbrauchbar. (Analoges gilt wohl auch schon für das Verhältnis von Physik<br />

<strong>und</strong> Chemie.)<br />

Genau hier liegen auch die Gründe, warum eine Profession oder Disziplin sich durch<br />

»Verwissenschaftlichung« unbrauchbar machen, d.h., die bisher erfolgreiche Praxis<br />

ruinieren kann. Die Profession braucht das nicht einmal zu bemerken: Die Wahrnehmung<br />

<strong>des</strong> Desasters kann durch den Wissenschaftsaberglauben der Professionals<br />

<strong>und</strong> den Wissenschaftsaberglauben ihrer Klientel weitgehend verhindert werden. Mehr<br />

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