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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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128 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

klärung dient als deren Fundament, so wie die Produktivbeziehungen zu<br />

den »dunklen Erdteilen« die ökonomische Grundlage der europäischen Nationalstaaten<br />

bilden. 14 Der der europäischen Moderne inhärente Rassenkonflikt<br />

ist ein weiteres Symptom der permanenten Krise, welche die moderne<br />

Souveränität bestimmt. <strong>Die</strong> Kolonie steht in dialektischem Gegensatz zur<br />

europäischen Moderne, sie ist deren notwendiger Doppelgänger und deren<br />

nicht zu unterdrückender Gegenspieler. Koloniale Souveränität ist ein weiterer<br />

unzureichender Versuch, die Krise der Moderne zu bewältigen.<br />

Menschheit ist Eins und Viele<br />

Das Zeitalter der europäischen Entdeckungen und die daraus resultierende<br />

intensivere Kommunikation zwischen Räumen und Völkern auf dieser Erde<br />

enthielten stets ein reales utopisches Element. Doch es wurde so viel Blut<br />

vergossen, es wurden so viele Menschenleben und Kulturen zerstört, dass<br />

es weit eher geboten scheint, die Barbarei und den Schrecken der westeuropäischen<br />

(und später dann der US­amerikanischen, sowjetischen und japanischen)<br />

Expansion und Kontrolle über den Globus zu verurteilen. Dennoch<br />

sollten wir die utopischen Tendenzen, die den Weg in Richtung Globalisierung<br />

stets begleitet haben, nicht vergessen, selbst wenn diese Tendenzen<br />

fortwährend von den Mächten moderner Souveränität besiegt wurden. <strong>Die</strong><br />

Wertschätzung von Differenzen und der Glaube an die universelle Gleichheit<br />

und Freiheit aller Menschen, die dem revolutionären Denken des Renaissancehumanismus<br />

eigen sind, tauchen hier im globalen Maßstab wieder<br />

auf. <strong>Die</strong>ses utopische Element der Globalisierung nämlich ist es, das uns<br />

vor dem Rückfall in Partikularismus und Isolationismus als Reaktion auf<br />

die totalisierenden Kräfte des Imperialismus und rassistischer Herrschaft<br />

bewahrt und statt dessen dazu ermutigt, ein Projekt der Gegen­Globalisierung,<br />

des Gegen­<strong>Empire</strong> zu entwerfen. <strong>Die</strong>ses utopische Moment war jedoch<br />

niemals eindeutig, sondern stand in ständigem Konflikt mit der souveränen<br />

Herrschaftsordnung. Wir wollen deshalb im Folgenden drei exemplarische<br />

Formen dieses Utopismus in all ihrer Ambivalenz näher betrachten,<br />

nämlich im Denken von Bartolome de Las Casas, von Toussaint L'Ouvertüre<br />

und von Karl Marx.<br />

Im ersten halben Jahrhundert nach der europäischen Landung in Amerika<br />

auf der Insel Hispaniola wurde Bartolome de Las Casas Zeuge des entsetzlich<br />

barbarischen Verhaltens der Conquistadoren und Kolonisten sowie der

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