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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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BIOPOLITISCHE PRODUKTION 39<br />

vitaler Bestandteil eines jeden individuellen Lebens wird, den die Individuen<br />

bereitwillig aufgreifen und mit ihrem Einverständnis versehen weitergeben.<br />

»Das Leben selbst ist jetzt ein Objekt der Macht«, schreibt Foucault<br />

(1981, 194). <strong>Die</strong> oberste Funktion dieser Macht ist es, Leben einzusetzen<br />

und zu durchdringen, und ihre vordringlichste Aufgabe ist es, Leben zu<br />

verwalten. Biomacht bezeichnet so eine Situation, in der das, was für die<br />

Macht wirklich auf dem Spiel steht, die Produktion und Reproduktion des<br />

Lebens selbst ist.<br />

<strong>Die</strong> beiden beschriebenen Linien in Foucaults Arbeiten berühren einander:<br />

Einzig die Kontrollgesellschaft ist in der Lage, sich die Biopolitik als<br />

exklusives Bezugsfeld zu eigen zu machen. Im Übergang von der Disziplinar-<br />

zur Kontrollgesellschaft realisiert sich ein <strong>neue</strong>s Machtparadigma, das<br />

dadurch definiert ist, dass Techniken der Biomacht die gesamte Gesellschaft<br />

durchziehen. In der Disziplinargeseilschaft war die Bedeutung biopolitischer<br />

Techniken noch beschränkt in dem Sinne, dass die Disziplinierung<br />

einer relativ abgesteckten, geometrischen und quantitativen Logik<br />

folgte. Disziplin sperrte Individuen in Institutionen ein, vermochte aber<br />

nicht, sie vollständig im Rhythmus produktiver Tätigkeit und produktiver<br />

Vergesellschaftung zu konsumieren. Disziplinierung erreichte nicht den<br />

Punkt, an dem sie das Bewusstsein und den Körper der Individuen vollkommen<br />

durchdrungen hätte, den Punkt, ihnen in all ihrem Tun zu begegnen<br />

und sie zu organisieren. In der Disziplinargesellschaft blieb das Verhältnis<br />

von Macht und Individuum daher statisch: <strong>Die</strong> disziplinäre Invasion<br />

der Macht stieß entsprechend auf den Widerstand der Individuen. Im Unterschied<br />

dazu wird, wenn Macht vollkommen biopolitisch ist, die Gesellschaft<br />

selbst zur Machtmaschine, entwickelt sich in ihrer Virtualität. Das<br />

Verhältnis ist offen, qualitativ und affektiv. <strong>Die</strong> Gesellschaft ist wie ein<br />

einziger sozialer Körper einer Macht subsumiert, die hinunterreicht bis in<br />

die Ganglien der Sozialstruktur und deren Entwicklungsdynamiken. Macht<br />

drückt sich als Kontrolle aus, die Bewusstsein und Körper der Bevölkerung<br />

und zur gleichen Zeit die Gesamtheit sozialer Beziehungen durchdringt. 19<br />

In diesem Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft könnte<br />

man nun davon sprechen, dass die zunehmend enge Beziehung und die<br />

Wechselwirkungen aller gesellschaftlichen Kräfte, die der Kapitalismus im<br />

Verlauf seiner Entwicklung immer erreichen wollte, sich realisieren. Marx<br />

entdeckte etwas Ähnliches in dem, was er den Übergang von der »formellen«<br />

zur »reellen Subsumtion« der Arbeit unter das Kapital nannte (Marx<br />

1863/64, 45-64; vgl. <strong>Negri</strong> 1979). Später analysierten die Theoretiker der

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