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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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380 UNTERGANG UND FALL DES EMPIRE<br />

Leidenschaft der Bürger zerstörte, auf die sich die heidnische Gesellschaft<br />

gestützt hatte, die konflikthafte, aber stets loyale Beteiligung der Bürger an<br />

der fortwährenden Vervollkommnung des Gemeinwesens und am Freiheitsprozess.<br />

<strong>Die</strong> antike Vorstellung von der notwendigen und natürlichen Korruption<br />

der guten Regierungsformen wird somit radikal verworfen, weil diese Regierung<br />

sformen sich allein in Relation zu den gesellschaftlichen und politischen<br />

Verhältnissen, die das Gemeinwesen organisiert haben, bewerten<br />

lassen. <strong>Die</strong> aufklärerische und moderne Auffassung, dass Raum und Zeit in<br />

ihrer Unbegrenztheit und Unkontrollierbarkeit zur einer Krise geführt hätten,<br />

wird ebenfalls verworfen, weil auch sie auf den Bereich der bürgerlichen<br />

Macht zurückgeführt wurde: Nur auf dieser und auf keiner anderen<br />

Grundlage lassen sich Raum und Zeit bewerten. <strong>Die</strong> Alternative besteht<br />

somit nicht zwischen Regierung und Korruption oder <strong>Empire</strong> und Niedergang,<br />

sondern zwischen einer gesellschaftlich verwurzelten und expansiven,<br />

das heißt einer »bürgerlichen« und »demokratischen« Regierung auf der<br />

einen Seite und jeglicher Regierungspraxis, die ihre Macht auf Transzendenz<br />

und Unterdrückung gründet, auf der anderen Seite. In diesem Zusammenhang<br />

muss ganz klar gesagt werden: Wenn wir von »Staat« oder »Demokratie«<br />

in Anführungszeichen als der Grundlage für die Expansion der<br />

Republik und als der einzigen Möglichkeit für ein dauerhaftes <strong>Empire</strong> sprechen,<br />

so führen wir hier einen Partizipationsbegriff ein, der an die Vitalität<br />

einer Bevölkerung und an ihre Fähigkeit, eine Dialektik der Gegenmächte<br />

zu erzeugen, gebunden ist - ein Begriff somit, der wenig mit dem klassischen<br />

oder modernen Demokratiebegriff zu tun hat. Selbst die Herrschaft<br />

von Dschingis Khan oder Timur war in dieser Hinsicht in gewisser Weise<br />

demokratisch, nicht anders als Cäsars Legionen, Napoleons Armeen oder<br />

die Truppen von Stalin und Eisenhower - denn alle ermöglichten die Partizipation<br />

der Bevölkerung, die ihr expansives Handeln unterstützte. In all<br />

diesen Fällen und im allgemeinen Begriff des <strong>Empire</strong> ist zentral, dass die<br />

Betonung auf der Immanenz liegt. Immanenz ist dadurch definiert, dass<br />

dem Handeln der Menge in seinen Fluchtlinien jegliche äußere Beschränkung<br />

fehlt und dass Immanenz in ihren positiven wie negativen Auswirkungen<br />

einzig an die Gesetze der Möglichkeit gebunden ist, denen sie ihre Entstehung<br />

und Entwicklung zu verdanken hat.<br />

Damit befinden wir uns wieder inmitten des Paradoxons, aufgrund dessen<br />

jede Theorie des <strong>Empire</strong> zugleich auch dessen möglichen Niedergang<br />

mitdenkt. Doch nunmehr können wir damit beginnen, es zu erklären. Wenn

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