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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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178 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

sehen Kaiserreich inspirierte politische Theorie zurückgreift. In dieser Tradition<br />

wurde der Konflikt zwischen Begrenzung und Expansion stets zugunsten<br />

der Expansion gelöst. Machiavelli bezeichnete diejenigen Republiken<br />

als expansiv, deren demokratische Begründungen sowohl zu ständig <strong>neue</strong>n<br />

Konflikten wie zur Aneignung <strong>neue</strong>r Territorien führten. Für Polybi­us war<br />

die Expansion der Lohn für die vollkommene Synthese der drei Regierungsformen,<br />

weil die überragende Form solcher Macht den demokratischen<br />

Druck der Menge, jede Beschränkung und Kontrolle fallen zu lassen,<br />

verstärkte. Ohne Expansion läuft die Republik ständig Gefahr, in einen<br />

Korruptionszyklus zu geraten. 23<br />

<strong>Die</strong>se expansive Neigung der Demokratie, die implizit im Begriff der<br />

Netzwerk­Macht angelegt ist, ist jedoch von anderen, rein expansionistischen<br />

und imperialistischen Formen der Expansion zu unterscheiden. Der<br />

grundlegende Unterschied besteht darin, dass die Expansion des immanenten<br />

Souveränitätsbegriffs einschließend und nicht ausschließend ist. Anders<br />

ausgedrückt: Wenn diese <strong>neue</strong> Souveränität expandiert, so annektiert oder<br />

zerstört sie die anderen Mächte, auf die sie trifft, nicht, sondern öffnet sich<br />

im Gegenteil ihnen gegenüber und bindet sie in ihr Netzwerk ein. Was sich<br />

öffnet, ist der Grundkonsens, sodass sich die gesamte souveräne Körperschaft<br />

über das konstitutive Netzwerk aus Mächten und Gegenmächten beständig<br />

reformiert. Gerade aufgrund dieser expansiven Tendenz ist der <strong>neue</strong><br />

Souveränitätsbegriff grundsätzlich reformistisch (vgl. Stephanson 1995).<br />

Wir können nunmehr die expansive Tendenz der demokratischen Republik<br />

deutlich vom Expansionismus der transzendenten Souveräne bzw.,<br />

denn darum geht es vor allem, vom Expansionismus moderner Nationalstaaten<br />

unterscheiden. <strong>Die</strong> Vorstellung von Souveränität als expansiver<br />

Macht in Netzwerken bildet das Scharnier, über welches das Prinzip einer<br />

demokratischen Republik mit dem Gedanken des <strong>Empire</strong> verknüpft ist.<br />

<strong>Empire</strong> lässt sich nur als universelle Republik begreifen, als ein Netzwerk<br />

aus Mächten und Gegenmächten in Form einer unbegrenzten und einschließenden<br />

Architektur. <strong>Die</strong>se imperiale Expansion hat weder etwas mit Imperialismus<br />

zu tun noch mit denjenigen Staatsgebilden, die auf Eroberung,<br />

Plünderung, Völkermord, Kolonisierung und Sklaverei ausgerichtet sind.<br />

Im Gegensatz zu solchen Imperialismen geht es dem <strong>Empire</strong> darum, das<br />

Modell der Netzwerk­Macht auszuweiten und zu festigen. Wenn wir diese<br />

imperialen Prozesse historisch betrachten (und wir werden uns die amerikanische<br />

Geschichte bald genauer ansehen), so erkennen wir zwar ganz deutlich,<br />

dass die expansiven Momente des <strong>Empire</strong> von Tränen und Blut durch­

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