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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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ZWEI EUROPA, ZWEI MODERNEN 99<br />

Konkret diente Hobbes' Souveränitätstheorie zu ihrer Zeit der Entwicklung<br />

des monarchischen Absolutismus, doch in Wahrheit ließ sich ihr transzendentales<br />

Schema in gleicher Weise auf verschiedene Regierungsformen<br />

anwenden: Monarchie, Oligarchie und Demokratie. Als das Bürgertum entstand,<br />

gab es scheinbar überhaupt keine Alternative zu diesem Machtschema.<br />

Es ist somit kein Zufall, dass Rousseaus demokratischer Republikanismus<br />

in Wirklichkeit dem Hobbesschen Modell recht ähnlich ist. Rousseaus<br />

Gesellschaftsvertrag stellt sicher, dass die Vereinbarung zwischen einzelnen<br />

Willensäußerungen in der Konstruktion eines allgemeinen Willens (volonte<br />

generale) aufgehoben wird und dass der allgemeine Wille von der Entfremdung<br />

der Einzelwillen zur Souveränität des Staates fortschreitet. Als Souveränitätsmodell<br />

unterscheidet sich Rousseaus »republikanischer Absolut« in<br />

keinster Weise von Hobbes' »Gott auf Erden«, dem monarchischen Absolut.<br />

»Wenn man nun vom gesellschaftlichen Pakt alles Nicht-Wesentliche<br />

beseitigt, verdichtet er sich wie folgt: Jeder von uns stellt gemeinsam seine<br />

Person und ganze Kraft unter die oberste Richtlinie des allgemeinen Willlens;<br />

und wir nehmen in die Gemeinschaft jedes Mitglied als untrennbares<br />

Teil des Ganzen auf.« (Rousseau 1762, 25) <strong>Die</strong> anderen Bedingungen, die<br />

Rousseau für die Definition souveräner Macht im Sinne von Herrschaft des<br />

Volkes und Demokratie festlegt, sind angesichts des Absolutismus der<br />

transzendentalen Begründung völlig irrelevant. Vor allem Rousseaus Begriff<br />

der direkten Repräsentation wird durch die Repräsentation der Totalität,<br />

die notwendig damit verbunden ist, entstellt und letztlich völlig entwertet<br />

- mit Hobbes' Begriff der Repräsentation geschieht Vergleichbares.<br />

Denn in Wahrheit wiederholen Hobbes wie Rousseau nur das Paradoxon,<br />

das Jean Bodin bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begrifflich<br />

bestimmt hatte. Souveränität kann es eigentlich nur in einer Monarchie<br />

geben, denn souverän kann immer nur einer sein. Wenn zwei oder drei oder<br />

viele regieren würden, gäbe es keine Souveränität, weil der Souverän nicht<br />

der Herrschaft anderer unterworfen sein kann (Bodin 1576). Demokratische,<br />

pluralistische oder das ganze Volk umfassende politische Formen<br />

mögen beschworen werden, doch letztlich besitzt moderne Souveränität nur<br />

eine politische Gestalt: eine einzige transzendente Macht.<br />

Auf dem Grund der modernen Souveränitätstheorie findet sich jedoch<br />

ein weiteres, sehr wichtiges Element - ein Inhalt, der die Form souveräner<br />

Autorität füllt und stützt. <strong>Die</strong>sen Inhalt bilden die kapitalistische Entwicklung<br />

und die Einsetzung des Marktes als Begründung für die Werte gesellschaftlicher<br />

Reproduktion (Macpherson 1973). Ohne diesen Inhalt, der stets

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