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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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DIE DIALEKTIK KOLONIALER SOUVERÄNITÄT 137<br />

stischen Entwicklungsprozess antreibt, und das Kapital muss ständig darum<br />

bemüht sein, dieses Verlangen im Zaum zu halten.<br />

<strong>Die</strong> Erzeugung von Alterität<br />

Der Kolonialismus und die rassistische Unterwerfung fungieren als temporäre<br />

Lösung für die Krise der europäischen Moderne, und zwar nicht nur in<br />

ökonomischer und politischer Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf Identität<br />

und Kultur. Der Kolonialismus konstruiert Gestalten der Alterität und<br />

sorgt dafür, dass sie in eine komplexe dialektische Struktur einfließen.<br />

Letztlich ist es diese negative Konstruktion nicht-europäischer Anderer,<br />

welche die europäische Identität begründet und aufrecht erhält.<br />

Koloniale Identität funktioniert in erster Linie mittels einer manichäischen<br />

Logik des Ausschlusses. Mit Frantz Fanon gesprochen: »<strong>Die</strong> koloniale<br />

Welt ist eine zweigeteilte Welt.« (Fanon 1961, 29) <strong>Die</strong> Kolonisierten<br />

sind nicht nur physisch und territorial vom europäischen Raum ausgeschlossen<br />

und nicht nur im Hinblick auf Rechte und Privilegien, sondern<br />

auch hinsichtlich des Denkens und der Werte. Das kolonisierte Subjekt<br />

wird in der metropolitanen Vorstellung als Anderer konstruiert und somit,<br />

so weit möglich, außerhalb der bestimmenden Grundlagen der europäischen<br />

Zivilisationswerte angesiedelt (mit den Kolonisierten können wir nicht vernünftig<br />

reden; sie haben sich nicht unter Kontrolle; sie respektieren den<br />

Wert menschlichen Lebens nicht; sie verstehen einzig die Sprache der Gewalt).<br />

Der Rassenunterschied ist eine Art schwarzes Loch, in das man alles<br />

hineinpacken kann, das Böse, die Barbarei, ungezügelte Sexualität usw. Das<br />

dunkle kolonisierte Subjekt erscheint somit in seiner Andersheit zunächst<br />

als geheimnisvoll und mysteriös. <strong>Die</strong>se koloniale Konstruktion von Identitäten<br />

beruht vor allem auf einer festen Grenze zwischen Metropole und<br />

Kolonie. <strong>Die</strong> Reinheit der Identitäten (und zwar sowohl im biologischen<br />

wie auch im kulturellen Sinne) ist von höchster Wichtigkeit, und die Aufrechterhaltung<br />

der Grenze sorgt für beträchtliche Angst. »In der Tat, die<br />

Werte werden unwiderruflich vergiftet und infiziert, sobald man sie mit der<br />

kolonisierten Welt in Kontakt bringt.« (Ebd., 32) <strong>Die</strong> Grenzen, die diesen<br />

reinen europäischen Raum schützen, sind ständigem Druck und ständiger<br />

Bedrohung ausgesetzt. Das Kolonialrecht handelt in erster Linie von diesen<br />

Grenzen: Es befestigt sie in ihrer ausschließenden Funktion und behandelt<br />

die Subjekte auf beiden Seiten der Trennlinie unterschiedlich. <strong>Die</strong> Apart-

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