24.06.2017 Aufrufe

Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

174 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

miteinander arrangieren. Souveränität lässt sich nur innerhalb des weiten<br />

Rahmens von Aktivitäten ausüben, die diese Souveränität aufteilen, ohne<br />

ihre Einheit zu negieren, und sie fortwährend der schöpferischen Bewegung<br />

der Menge unterordnen.<br />

Heutige Historiker wie etwa J.G.A. Pocock, welche die Entwicklung der<br />

amerikanischen Verfassung und deren Vorstellung von politischer Souveränität<br />

in die Tradition Machiavellis stellen, gehen weit zurück, um diese<br />

Abweichung vom modernen Souveränitätsbegriff verständlich zu machen<br />

(vgl. Pocock 1975; J.C.D. Clark 1994). Sie setzen die Verfassung der USA<br />

jedoch nicht in Beziehung zum barocken und gegenreformatorischen Machiavellismus,<br />

der eine Apologie staatlicher Vernunft und aller sich daraus<br />

ergebenden Ungerechtigkeiten darstellt, sondern stellen sie in die Tradition<br />

des republikanischen Machiavellismus, der zunächst die Protagonisten der<br />

Glonous Revolution in England beeinflusst hatte und dann im Zuge der<br />

Auswanderung unter europäischen Demokraten, die zwar besiegt, aber nicht<br />

geschlagen waren, wieder auflebte (vgl. dazu <strong>Negri</strong> 1992, 117­222; Cressy<br />

1987). <strong>Die</strong>se republikanische Tradition lässt sich mit Machiavellis eigenen<br />

Texten begründen. An erster Stelle mit Machiavellis Vorstellung von Macht<br />

als konstituierender Macht — das heißt als Produkt einer innenpolitischen<br />

und der Gesellschaft immanenten Dynamik. Für Machiavelli ist Macht immer<br />

republikanisch; sie entsteht aus dem Leben der Menge und bildet dessen<br />

Ausdrucksform. <strong>Die</strong> Utopie, auf der dieses revolutionäre Prinzip beruht,<br />

ist die freie Stadt des Renaissancehumanismus. Das zweite Prinzip des Machiavellismus,<br />

das hier eine Rolle spielt, ist, dass die gesellschaftliche Basis<br />

dieser Souveränität stets konfliktbehaftet ist. Macht wird durch das Aufkommen<br />

und die Interaktion von Gegenmächten organisiert. <strong>Die</strong> Stadt ist<br />

damit eine konstituierende Macht, die aus pluralen gesellschaftlichen Konflikten<br />

entsteht, die sich in ständigen konstitutionellen Prozessen artikulieren.<br />

Unter diesem Aspekt hat Machiavelli die Organisation der antiken römischen<br />

Republik betrachtet, und dadurch diente die Renaissance­<br />

Vorstellung von Stadt als Begründung für eine realistische politische Theorie<br />

und Praxis: Soziale Konflikte sind die Grundlage stabiler Machtverhältnisse<br />

und die Begründung für die städtische Expansion. Machiavellis Denken<br />

war der Beginn einer kopernikanischen Wende, die Politik wieder als<br />

unaufhörliche Bewegung verstand <strong>Die</strong>s sind die wichtigsten Lehren, welche<br />

die atlantische Demokratietheorie aus dem republikanischen Machiavellismus<br />

bezog (vgl. <strong>Negri</strong> 1992; Pocock 1988).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!