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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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GEMISCHTE VERFASSUNG 323<br />

mals nicht gerade unabhängig sind, weder vom Kapital noch vom Staat<br />

(vgl. Said 1981a; Herman/Chomsky 1988). Religionsgemeinschaften bilden<br />

einen Sektor regierungsunabhängiger Institutionen, die das Volk repräsentieren,<br />

mit sogar noch längerer Geschichte. Der Aufstieg des (christlichen<br />

und islamischen) Fundamentalismus könnte als Repräsentation des Volks<br />

gegen den Staat als Teil der Herausbildung der <strong>neue</strong>n globalen Zivilgesellschaft<br />

verstanden werden - doch indem sich solche Religionsgemeinschaften<br />

gegen den Staat richten, setzen sie sich häufig an seine Stelle, werden<br />

selbst zum Staat.<br />

<strong>Die</strong> <strong>neue</strong>sten und möglicherweise bedeutendsten Kräfte der globalen Zivilgesellschaft<br />

werden unter dem Namen »Nichtregierungsorganisationen«<br />

(NGO) zusammengefasst. Der Ausdruck NGO ist nicht sehr genau definiert:<br />

Damit ist jede Organisation gemeint, die behauptet, das Volk zu repräsentieren<br />

und in dessen Interesse zu agieren, unabhängig von staatlichen<br />

Strukturen (und häufig gegen sie). Für viele ist tatsächlich NGO synonym<br />

mit »populären Organisationen«, da populäre Interessen im Gegensatz zu<br />

staatlichen Interessen bestimmt werden (vgl. Boulding 1993, 179). <strong>Die</strong>se<br />

Organisationen operieren auf lokalen, nationalen und supranationalen Ebenen.<br />

Der Ausdruck NGO fasst eine enorme Zahl ganz unterschiedlicher<br />

Organisationen zusammen: Aus den 1990ern stammt die Zahl von über<br />

18 000 NGOs weltweit. Einige dieser Organisationen erfüllen Funktionen<br />

in der Art traditioneller Gewerkschaften (wie etwa die Self-Employed Women's<br />

Association in Ahmedabad, Indien), andere verfolgen den Missionsauftrag<br />

religiöser Sekten (wie der katholische Glaubensdienst), wieder andere<br />

verstehen sich als Repräsentanten von Bevölkerungsgruppen, die nicht<br />

durch einen Nationalstaat repräsentiert werden (wie der Weltrat indigener<br />

Völker). Es wäre sinnlos, die Strukturen und Funktionsweisen solch vieler<br />

und heterogener Organisationen durch eine einzige Definition beschreiben<br />

zu wollen (vgl. John Clark 1990; Livezey 1988; Natsios 1997).<br />

Von Kritikern wird den NGOs vorgeworfen, dass sie, da sie außerhalb<br />

staatlicher Macht und häufig im Konflikt mit ihr stehen, mit den neoliberalen<br />

Projekten des globalen Kapitals vereinbar wären und ihnen direkt dienten.<br />

Während das globale Kapital die Macht der Nationalstaaten »von oben«<br />

angreife, so das Argument, verfolgten die NGOs eine Parallel Strategie »von<br />

unten« und zeigten das »Community jace« des Neoliberalismus (vgl. Petras<br />

1997). Es mag sein, dass die Aktivitäten vieler NGOs dazu beitragen, die<br />

neoliberale Orientierung des globalen Kapitals zu befördern, doch ist das<br />

Handeln aller NGOs keineswegs kategorisch davon bestimmt. Nicht auf

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