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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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IMPERIALE SOUVERÄNITÄT 197<br />

Menge herrscht; die Demokratie ist somit die einzige Regierungsform, in<br />

der sich das Absolute verwirklichen lässt. Für Marx schließlich setzt jede<br />

auf Befreiung zielende Initiative, vom Kampf um Löhne bis hin zu politischen<br />

Revolutionen, der Welt des Tauschwerts, den Modalitäten kapitalistischer<br />

Entwicklung die Unabhängigkeit des Gebrauchswerts entgegen ­ diese<br />

Unabhängigkeit besteht jedoch nur im Rahmen der kapitalistischen<br />

Entwicklung. In all diesen Fällen ist die Kritik der Moderne innerhalb der<br />

historischen Evolution der Machtformen angesiedelt, ein Innen, das nach<br />

einem Außen sucht. Selbst in den radikalsten und extremsten Formen dieses<br />

Rufs nach einem Außen dient das Innen noch immer als Begründung<br />

­wenn auch manchmal als negative ­ des Projekts. In Machiavellis konstituierender<br />

Bildung einer <strong>neue</strong>n Republik, in Spinozas demokratischer Befreiung<br />

der Menge, in Marx' revolutionärer Ablehnung des Staates ­ in all diesen<br />

Fällen lebt das Innen ambivalent, aber nicht weniger bestimmt im<br />

Außen, das als Utopie entworfen wird, fort.<br />

Wir wollen damit keineswegs behaupten, die moderne Kritik an der Moderne<br />

habe niemals einen wirklichen »Knackpunkt« erreicht, der einen Perspektivenwechsel<br />

ermöglicht, oder unser eigenes Projekt könne keinen Nutzen<br />

aus diesen modernen kritischen Begründungen ziehen. <strong>Die</strong> Freiheit bei<br />

Machiavelli. das Begehren bei Spinoza und die lebendige Arbeit bei Marx<br />

sind allesamt Begriffe, die ein echtes Veränderungspotenzial enthalten: die<br />

Macht, sich mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen und über die bestehenden<br />

Existenzbedingungen hinauszugelangen. <strong>Die</strong> Wirkungskraft dieser<br />

kritischen Begriffe, die weit über deren ambivalentes Verhältnis zu den<br />

modernen Gesellschaftsstrukturen hinausreicht, besteht in erster Linie darin,<br />

dass sie als ontologische Forderungen gedacht sind (vgl. <strong>Negri</strong> 1982). <strong>Die</strong><br />

Macht der modernen Modernekritik liegt genau da, wo die Erpressung<br />

durch den bürgerlichen Realismus zurückgewiesen wird ­ anders gesagt:<br />

wo das utopische Denken über den Zwang zur Homologie hinausgeht, der<br />

es stets auf bereits Bestehendes beschränkt, und eine <strong>neue</strong> konstituierende<br />

Form gewinnt.<br />

<strong>Die</strong> Grenzen dieser Kritik werden deutlich, wenn wir deren Fähigkeit in<br />

Frage stellen, nicht nur das angestrebte Ziel, sondern auch den Standpunkt<br />

des Kritikers zu verändern,. Ein kurzes Beispiel mag genügen, um dieses<br />

Problem zu illustrieren. Der fünfte Teil von Spinozas Ethik bildet vielleicht<br />

die vollendetste Form der modernen Modernekritik. Spinoza stellt sich hier<br />

der theoretischen Herausforderung, die volle Erkenntnis der Wahrheit zu<br />

begründen und nach dem Weg zu suchen, wie Körper und Geist im Abso­

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