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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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236 PASSAGEN DER PRODUKTION<br />

Um den im Produktionsprozess hervorgebrachten Mehrwert zu realisieren<br />

und eine aus der Überproduktion resultierende Entwertung zu vermeiden,<br />

muss das Kapital, Marx zufolge, expandieren: »Eine Bedingung der auf<br />

dem Kapital basierten Produktion ist daher die Produktion eines stets<br />

erweiterten Zirkels der Zirkulation, sei es dass der Kreis direkt erweitert<br />

wird oder dass mehr Punkte in demselben als Produktionspunkte geschaffen<br />

werden.« (Marx 1857/58, 311) Eine Expansion der Zirkulationssphäre kann<br />

innerhalb der kapitalistischen Sphäre durch <strong>neue</strong> Bedürfnisse und gesteigerte<br />

Nachfrage erreicht werden, also durch die Intensivierung bestehender<br />

Märkte; doch die Menge des den Arbeitern für Ausgaben zur Verfügung<br />

stehenden Lohns und die für die Kapitalisten unerlässliche Akkumulation<br />

richten gegenüber einer solchen Expansion eine rigide Schranke auf. Auch<br />

böte sich an. zusätzliche Konsumenten dadurch zu schaffen, dass man <strong>neue</strong><br />

Bevölkerungsteile in den kapitalistischen Verkehr hineinzieht, doch kann<br />

dies das grundsätzlich ungleiche Verhältnis von Angebot und Nachfrage,<br />

von geschaffenem Wert und dem Wert, den Proletarier und Kapitalisten<br />

insgesamt konsumieren können, nicht ausgleichen (vgl. Marx 1857/58, 321;<br />

1867­94, I, 605ff; II, 485ff.; III, 251 ff.). Im Gegenteil, <strong>neue</strong> Proletarier<br />

werden selbst immer einen unzureichenden Markt für den Wert, den sie<br />

produzieren, abgeben, und darum werden sie das Problem lediglich auf erweiterter<br />

Stufenleiter reproduzieren. 3 <strong>Die</strong> einzig wirksame Lösung für das<br />

Kapital besteht darin, außerhalb des eigenen Bereichs zu suchen und nichtkapitalistische<br />

Märkte zu entdecken, auf denen Waren zu tauschen sind und<br />

deren Wert realisiert werden kann. <strong>Die</strong> Expansion der Zirkulationssphäre in<br />

ein nichtkapitalistisches Außen verschiebt das destabilisierende Ungleichgewicht.<br />

Rosa Luxemburg entwickelte Marx' Analyse zum Verwertungsproblem<br />

weiter, doch veränderte sie deren Ausrichtung. Luxemburg hebt die Tatsache<br />

hervor, dass »die Existenz nichtkapitalistischer Abnehmer des Mehrwerts<br />

(...) direkte Lebensbedingung für das Kapital und seine Akkumulation«<br />

(Luxemburg 1913, 314) ist. <strong>Die</strong> Realisierung des Mehrwerts verweist<br />

auf die Abhängigkeit des Kapitals von einem Außen. »Der Kapitalismus ist<br />

die erste Wirtschaftsform (...), die allein, ohne andere Wirtschaftsformen als<br />

ihr Milieu und ihren Nährboden, nicht zu existieren vermag.« (Ebd., 411)<br />

Das Kapital ist ein Organismus, der sich nicht anders erhalten kann als dadurch,<br />

dass er ständig über seine Grenzen hinausblickt, sich von seiner äußeren<br />

Umgebung ernährt. Das Außen ist ihm wesentlich.

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