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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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SYMPTOME DES ÜBERGANGS 151<br />

ihnen aufscheint, nicht erkennen? Was, wenn die herrschenden Mächte, die<br />

Ziel der Kritik sind, sich so verändert haben, dass sie jede postmoderne<br />

Infragestellung mühelos entkräften? Kurz: Was, wenn ein <strong>neue</strong>s Paradigma<br />

der Macht, eine postmoderne Souveränität an die Stelle des modernen Paradigmas<br />

getreten ist und gerade mit Hilfe von Differenzhierarchien der hybriden<br />

und fragmentarischen Subjektivitäten, die diese Theoretiker so frohgemut<br />

verkünden, herrscht? In diesem Fall stünden die modernen Formen<br />

der Souveränität nicht mehr zur Debatte, und die postmodernen und postkolonialistischen<br />

Strategien, die als befreiend erscheinen, würden die <strong>neue</strong>n<br />

Herrschaftsstrategien nicht in Frage stellen, sondern in Wirklichkeit mit<br />

ihnen in eins fallen und sie sogar unwissentlich verstärken!<br />

Wenn wir nun die Ideologien des Unternehmenskapitals und des Weltmarkts<br />

betrachten, so scheint sicher zu sein, dass die Theoretiker der Postmoderne<br />

und des Postkolonialismus, die für eine Politik der Differenz, des<br />

Fließens und der Hybridität plädieren, um die binäre Struktur und den Essentialismus<br />

moderner Souveränität in Frage zu stellen, von den Strategien<br />

der Macht überlistet worden sind. <strong>Die</strong> Macht hat die Bastion, die sie angreifen,<br />

längst verlassen und sich in ihren Rücken geschlichen, um sich an ihrem<br />

Angriff im Namen der Differenz zu beteiligen. <strong>Die</strong>se Theoretiker rennen<br />

somit offene Türen ein. Wir wollen damit keineswegs behaupten, die<br />

postmodernen und/oder postkolonialistischen Theoretiker seien in gewisser<br />

Weise die Lakaien des globalen Kapitals und des Weltmarkts. Anthony<br />

Appia und Arif Dirlik tun diesen Autoren unrecht, wenn sie sie als »eine<br />

käufliche Intelligenzia« und als »die Intelligenzia des globalen Kapitalismus«<br />

bezeichnen (Dirlik 1997b, 52­83, Zitat 77). Es gibt keinen Grand, die<br />

demokratischen, egalitären und mitunter sogar antikapitalistischen Bestrebungen,<br />

die große Teile dieser Disziplinen leiten, in Zweifel zu ziehen, aber<br />

man muss gleichwohl nach der Nützlichkeit dieser Theorien im Kontext des<br />

<strong>neue</strong>n Machtparadigmas fragen. <strong>Die</strong>ser <strong>neue</strong> Feind nämlich ist nicht nur<br />

gegenüber den alten Waffen resistent, er gedeiht geradezu auf ihnen und<br />

schließt sich somit seinen Möchtegern­Gegenspielern an, indem er deren<br />

Waffen in vollem Maße anwendet. Lang lebe die Differenz! Nieder mit den<br />

essentialistischen Binärcodes!<br />

In gewissem Maße sind die postmodernen und postkolonialistischen<br />

Theorien wichtige Sekundäreffekte, welche die Ausbreitung des Weltmarkts<br />

und den Übergang der Souveränitätsform reflektieren und nachzeichnen.<br />

<strong>Die</strong>se Theorien weisen auf das <strong>Empire</strong> hin, aber nur sehr vage<br />

und wirr, ohne sich des wahrhaft paradigmatischen Charakters dieses Über­

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