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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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154 PASSAGEN DFR SOUVERÄNITÄT<br />

Befreiungskämpfe betrachten. <strong>Die</strong> Geschichte der Infragestellungen der<br />

politisch-ökonomischen Hegemonie Europas und seiner Kolonialherrschaft,<br />

die Erfolge nationaler Befreiungsbewegungen, von Frauenbewegungen und<br />

antirassistischen Kämpfen, sie alle werden als Erbe postmoderner Politik<br />

betrachtet, weil auch sie darauf abzielen, die Ordnung und die Dualismen<br />

moderner Souveränität zu erschüttern. Wenn die Moderne der Machtbereich<br />

des weißen europäischen Mannes ist, dann wird genau symmetrisch dazu<br />

die Postmoderne das Feld der Befreiung nichtweißer, nichtmännlicher<br />

Nicht-Europäer sein. Nach bell hooks nimmt eine radikale postmoderne<br />

Praxis, eine Politik der Differenz, im Idealfall die Werte und Stimmen der<br />

Heimatlosen, der an den Rand Gedrängten, der Ausgebeuteten und der Unterdrückten<br />

in sich auf (hooks 1996). <strong>Die</strong> binären Strukturen und Dualismen<br />

moderner Souveränität werden nicht zerschlagen, nur um anschließend<br />

wieder <strong>neue</strong> zu etablieren; vielmehr wird die Macht der Binärcodes aufgelöst,<br />

wenn »wir Differenzen setzen, um Grenzen zu überspielen« (Flax<br />

1993,91).<br />

Das postmoderne Denken wurde von zahlreichen Wissenschaftlern als<br />

Weckruf zu einem <strong>neue</strong>n Paradigma akademischer und intellektueller Praxis<br />

aufgefasst und als gute Gelegenheit, um die in ihrem eigenen Fach vorherrschenden<br />

Wissenschaftsparadigmen zu »entmachten«. 19 Eines der wichtigsten<br />

Beispiele dafür ist in unserem Zusammenhang die postmoderne Herausforderung<br />

im Bereich der Internationalen Beziehungen (vgl. Der Derian/<br />

Shapiro 1989; George 1994; Shapiro/Alker 1996). Hier wird das »moderne«<br />

Forschungsparadigma weitgehend mit der realistischen und neorealistischen<br />

Schule gleichgesetzt, d.h. es gründet auf dem Begriff der Souveränität, der<br />

gemeinhin als Synonym für die Macht der Nationalstaaten, den legitimen<br />

Einsatz staatlicher Gewalt und territoriale Integrität verstanden wird. Aus<br />

postmoderner Sicht stützt diese »moderne« Lehre von den Internationalen<br />

Beziehungen dadurch, dass sie diese beschränkte Sichtweise akzeptiert und<br />

sie in den Mittelpunkt stellt, die herrschende Macht und die Souveränität<br />

der Nationalstaaten. Forscher dieser Disziplin ziehen deshalb eine klare<br />

Verbindungslinie zwischen der Kritik an den binären Dualismen der »Aufklärung«,<br />

wie sie im Kontext der philsophischen und literarischen Postmoderne<br />

formuliert wurde, und der Infragestellung feststehender Grenzen moderner<br />

staatlicher Souveränität. Postmoderne Theoretiker der internationalen<br />

Beziehungen versuchen die Souveränität der Staaten in Frage zu stellen,<br />

indem sie die Grenzen der herrschenden Mächte dekonstruieren, indem sie<br />

ungeregelte und unkontrollierte internationale Bewegungen und Ströme in

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