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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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206 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

prematie funktioniert eher so, dass man zuerst Alterität zugesteht und dann<br />

die Differenzen je nach Abweichungsgrad von der »weißen Norm« unterordnet.<br />

Mit Hass gegen oder Angst vor dem fremden, unbekannten Anderen<br />

hat das nichts zu tun. <strong>Die</strong>ser Hass entsteht in unmittelbarer Nähe und richtet<br />

sich danach, wie weit der Nachbar sich unterscheidet.<br />

Das soll keineswegs heißen, dass es in unseren Gesellschaften keinen<br />

rassenbedingten Ausschluss mehr gibt; sie sind mit Sicherheit von unzähligen<br />

Rassenbeschränkungen durchzogen, die ihre Linien durch jede urbane<br />

Landschaft und um die ganze Well ziehen. Der Punkt ist vielmehr der, dass<br />

rassenbedingter Ausschluss im Allgemeinen die Folge einer unterscheidenden<br />

Inklusion ist. Mit anderen Worten: Es wäre heute ein Fehler ­ und würde<br />

vielleicht, wenn wir die Vergangenheit betrachten, in die Irre führen ­, die<br />

Apartheid oder die amerikanischen »Jim Crow«­Gesetze als Paradigma der<br />

Rassenhierarchie zu betrachten. Differenz wird nicht gesetzlich festgelegt,<br />

und die Einführung von Alterität geht nicht bis zum Extrem der An­dersheit.<br />

Das <strong>Empire</strong> denkt Differenzen nicht in absoluten Kategorien; es betrachtet<br />

Rassenunterschiede niemals als natürliche, sondern immer als<br />

Gradunterschiede, nie als notwendig, sondern immer als zufällig. Unterordnung<br />

wird in Alltagsregimen praktiziert, die beweglicher und flexibler sind,<br />

aber zugleich Rassenhierarchien schafft, die trotzdem stabil und brutal sind.<br />

<strong>Die</strong> Erscheinungsform und die Strategien des imperialen Rassismus<br />

können, allgemeiner betrachtet, den Unterschied zwischen moderner und<br />

imperialer Souveränität deutlich machen. Der koloniale Rassismus, also der<br />

Rassismus der modernen Souveränität, treibt zunächt die Differenz ins Extrem<br />

und und eignet sich anschließend den Anderen als negative Begründung<br />

des eigenen Ichs wieder an (vgl. Abschnitt II.3). <strong>Die</strong> moderne Konstruktion<br />

eines Volks ist eng damit verknüpft. Ein Volk wird nicht einfach<br />

im Hinblick auf eine gemeinsame Vergangenheit und gemeinsame Bestrebungen<br />

oder Möglichkeiten bestimmt, sondern primär in einem dialektischen<br />

Verhältnis zu seinem Anderen, zu seinem Außen. Ein Volk (ob in der<br />

Diaspora oder nicht) wird stets über einen Ort (mag er virtuell oder real<br />

sein) definiert. Im Gegensatz dazu hat die imperiale Ordnung mit dieser<br />

Dialektik gar nichts mehr zu tun. Der imperiale oder unterscheidende Rassismus<br />

integriert Andere in seine Ordnung und orchestriert dann diese Differenzen<br />

im Rahmen eines Kontroll Systems. Feststehende und biologisch<br />

begründete Vorstellungen von Volk lösen sich somit tendenziell in eine<br />

fließende und amorphe Menge auf, die selbstverständlich von Konfliktlinien<br />

und Antagonismen durchzogen ist, die jedoch nicht als feste und ewige

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