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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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200 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

nach Anerkennung sucht (vgl. dazu Arendt 1967). Im Zuge der Postmodernisierung<br />

werden diese öffentlichen Räume jedoch zunehmend privatisiert.<br />

In der urbanen Landschaft verschiebt sich der Fokus vom gemeinsamen<br />

Viertel und der öffentlichen Begegnung in der Moderne hin zu den geschlossenen<br />

Räumen der Einkaufszentren, Stadtautobahnen und abgezäunten<br />

Gemeinschaften. <strong>Die</strong> Architektur und die Stadtplanung in Megastädten<br />

wie Los Angeles oder Sao Paolo haben den öffentlichen Zugang und die<br />

öffentliche Interaktion immer weiter eingeschränkt, um die zufällige Begegnung<br />

unterschiedlicher Bevölkerungen zu vermeiden, und zu diesem<br />

Zweck eine ganze Reihe geschützter und isolierter Innenräume geschaffen<br />

(vgl. Davis 1994, 257­304; Caldeira 1996). Oder man denke an die Banlieues<br />

von Paris, die zu einer Aneinanderreihung amorpher und unbestimmter<br />

Räume geworden sind, die statt Interaktion und Kommunikation die<br />

Isolation fördern. Der öffentliche Raum ist in einem Maße privatisiert worden,<br />

dass es nicht mehr sinnvoll erscheint, gesellschaftliche Organisation im<br />

Sinne einer Dialektik zwischen privatem und öffentlichem Raum, zwischen<br />

Innen und Außen zu begreifen. Der Ort moderner liberaler Politik ist verschwunden,<br />

und angesichts dessen zeichnet sich unsere postmoderne und<br />

imperiale Gesellschaft durch einen Mangel an Politischem aus. Als Folge<br />

davon wurde der Ort der Politik de­aktualisiert.<br />

In dieser Hinsicht erweist sich Guy Debords Untersuchung der »Gesellschaft<br />

des Spektakels« (1967) mehr als 30 Jahre nach ihrer Entstehung als<br />

angemessener und wichtiger denn je. In der imperialen Gesellschaft ist das<br />

Spektakel ein virtueller Ort, oder genauer: ein Nicht-Ort der Politik. Das<br />

Spektakel ist Einheit und Zerstreuung zugleich, und zwar in einer Weise,<br />

dass sich Innen und Außen ­ Natürliches und Gesellschaftliches, Privates<br />

und Öffentliches ­ überhaupt nicht mehr unterscheiden lassen. Das liberale<br />

Verständnis von Öffentlichkeit als Ort draußen, an dem wir in Anwesenheit<br />

anderer handeln, ist sowohl universalisiert (wir sind heute immer im Blick<br />

anderer, da wir von Sicherheitskameras überwacht werden) als auch in den<br />

virtuellen Räumen des Spektakels aufgehoben oder de­aktualisiert worden.<br />

Das Ende des Außen ist auch das Ende liberaler Politik.<br />

Und schließlich gibt es auch in militärischer Hinsicht kein Außen mehr.<br />

Wenn Francis Fukuyama behauptet, dass der gegenwärtige historische Abschnitt<br />

vom Ende der Geschichte bestimmt sei, so meint er damit, dass das<br />

Zeitalter der großen Konflikte zu Ende ist: <strong>Die</strong> souveräne Macht sieht sich<br />

keinem Anderen und keinem Außen mehr gegenüber, sondern wird ihre<br />

Grenzen immer weiter ausdehnen und am Ende den gesamten Erdball zu

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