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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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38 DIE POLITISCHE KONSTITUTION DER GEGENWART<br />

Seilschaft zu sprechen bedeutet, dass Herrschaft in der Gesellschaft auf einem<br />

weitläufigen Netzwerk von Dispositiven und Apparaten beruht, das<br />

Verhaltensweisen, Gewohnheiten wie auch produktive Tätigkeiten hervorbringt<br />

und reguliert. Damit diese Gesellschaft funktioniert und ihre Regeln<br />

und Mechanismen des Ein- und Ausschlusses befolgt werden, bedarf es<br />

Institutionen der Disziplinierung, wie etwa Gefängnis, Fabrik, Heim, Klinik,<br />

Universität, Schule und so weiter. Sie gliedern das gesellschaftliche<br />

Terrain und implementieren Logiken, die der disziplinären »Vernunft« entsprechen.<br />

Disziplinarmacht herrscht tatsächlich, indem die Möglichkeiten<br />

und Grenzen des Denkens und des Handelns geregelt sind und normales<br />

und/oder abweichendes Verhalten sanktioniert und vorgeschrieben ist.<br />

Foucault bezieht sich gemeinhin auf das Ancien Regime und die klassische<br />

Epoche der französischen Gesellschaft, um die Entstehung der Disziplin zu<br />

illustrieren, doch allgemeiner könnte man die gesamte erste Phase der kapitalistischen<br />

Akkumulation (in Europa wie anderswo) als durch dieses<br />

Machtparadigma gekennzeichnet beschreiben. <strong>Die</strong> Kontrollgesellschaft<br />

hingegen wäre als eine am äußersten Rand der Moderne entstandene und<br />

der Postmoderne zugewandte Gesellschaft zu verstehen, in der die Herrschaftsmechanismen<br />

»demokratisiert« sind, das heißt, sie sind dem gesellschaftlichen<br />

Feld immer stärker immanent und auf die Köpfe und Körper<br />

der Bürger verteilt. <strong>Die</strong> Art und Weise herrschaftskonformer gesellschaftlicher<br />

Integration und Exklusion ist entsprechend zunehmend von den Subjekten<br />

internalisiert. Machtausübung findet durch maschinische Systeme<br />

statt, die direkt auf die Köpfe wirken (Kommunikationssysteme, Informationsnetzwerke<br />

etc.), die Körper organisieren (Sozialsysteme, kontrollierte<br />

Aktivitäten etc.) und einen Zustand autonomer Entfremdung (vom Sinn des<br />

Lebens, vom Wunsch nach Kreativität) herbeiführen. <strong>Die</strong> Kontrollgesellschaft<br />

könnte man also durch die Intensivierung und Verallgemeinerung der<br />

normalisierenden Disziplinarmechanismen charakterisiert sehen, die, nunmehr<br />

verinnerlicht, unsere gewöhnlichen und alltäglichen Praktiken regeln,<br />

doch im Gegensatz zur Disziplin dehnt sich die Kontrolle über die strukturellen<br />

Orte sozialer Institutionen hinaus durch flexible und modulierende<br />

Netzwerke aus.<br />

Des Weiteren erlaubt Foucaults Werk, den biopolitischen Charakter des<br />

<strong>neue</strong>n Machtparadigmas zu erkennen. 18 Biomacht ist eine Form, die das<br />

soziale Leben von innen heraus Regeln unterwirft, es verfolgt, interpretiert,<br />

absorbiert und schließlich neu artikuliert. <strong>Die</strong> Macht über das Leben der<br />

Bevölkerung kann sich in dem Maß etablieren, wie sie ein integraler und

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