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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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42 DIE POLITISCHE KONSTITUTION DER GEGENWART<br />

<strong>Die</strong> Produktion von Leben<br />

<strong>Die</strong> Frage der Produktion enthüllt, bezogen auf Biomacht und Kontrollgesellschaft,<br />

einen tatsächlichen Schwachpunkt in den Ansätzen, denen wir<br />

diese Begriffe entlehnt haben. Zu klären sind deshalb die »vitalen« oder<br />

vielmehr biopolitischen Dimensionen in Foucaults Arbeiten in ihrem Verhältnis<br />

zur Dynamik der Produktion. Foucault argumentierte in mehreren<br />

Arbeiten Mitte der 1970er Jahre, dass man den Übergang von der »Souveränität«<br />

zur »Disziplin«, vom Ancien Regime zum modernen Staat, nicht verstehen<br />

kann, wenn unberücksichtigt bleibt, wie der biopolitische Zusammenhang<br />

zunehmend in den <strong>Die</strong>nst der kapitalistischen Akkumulation tritt:<br />

»<strong>Die</strong> Kontrolle der Gesellschaft über die Individuen vollzieht sich nicht nur<br />

durch das Bewusstsein oder die Ideologie, sondern auch im Körper und mit<br />

dem Körper. Für die kapitalistische Gesellschaft ist es die Biopolitik, die<br />

vor allem zählt, das Biologische, Somatische, Körperliche.« (Foucault<br />

1977,210)<br />

Eines der zentralen Ziele von Foucaults Forschungsstrategie jener Zeit<br />

war es, Auffassungen des historischen Materialismus einschließlich verschiedener<br />

marxistischer Strömungen hinter sich zu lassen, die das Problem<br />

der Macht und der gesellschaftlichen Reproduktion auf der Ebene des Überbaus<br />

behandelten, als von der realen Basis, von der Produktion getrennt.<br />

Foucault versuchte daher, die Frage der gesellschaftlichen Reproduktion<br />

und aller Elemente des so genannten Überbaus innerhalb der materiellen<br />

Grundstruktur zu situieren und dieses Terrain nicht allein ökonomisch, sondern<br />

ebenso kulturell, körperlich und subjektiv zu bestimmen. Wir können<br />

so verstehen, wie Foucault seine Vorstellung des gesellschaftlichen Ganzen<br />

ausarbeitete und abschloss, als er in einer späteren Phase seines Werks die<br />

sich abzeichnenden Umrisse der Kontrollgesellschaft als eine Gestalt der<br />

Macht entdeckte, die im gesamten biopolitischen Zusammenhang der Gesellschaft<br />

wirkt. Allerdings scheint es Foucault - auch wenn er am biopolitischen<br />

Horizont der Gesellschaft festhielt und ihn als ein Feld der Immanenz<br />

beschrieb — nicht gelungen zu sein, sein Denken von der strukturalistischen<br />

Epistemologie zu lösen, die seine Untersuchungen seit den Anfängen<br />

geleitet hatte. Strukturalistische Epistemologie heißt hier Rückgriff auf<br />

funktionalistische Wege im Bereich der Geisteswissenschaften, Methoden,<br />

die letztlich die Dynamik des Systems, die schöpferische Zeitlichkeit seiner<br />

Bewegungen und die ontologische Substanz der kulturellen und sozialen<br />

Reproduktion vernachlässigen (Lefebvre 1971; Deleuze 1992b; Jameson

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