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NETZWERK-MACHT: DIE SOUVERÄNITÄT DER USA 177<br />

was über uns schwebt, sondern etwas, das wir schaffen. <strong>Die</strong> amerikanische<br />

Unabhängigkeitserklärung feiert diese <strong>neue</strong> Vorstellung von Macht ganz<br />

unverhohlen. <strong>Die</strong> menschliche Emanzipation von jeglicher transzendenten<br />

Macht gründet auf der Macht der Menge, sich eigene politische Institutionen<br />

zu geben und eine Gesellschaft zu bilden.<br />

Das Prinzip der konstituierenden Produktion liefert einen Prozess der<br />

Selbstreflexion bzw. wird in einer Art dialektischem Ballett mit einem solchen<br />

erklärt. Damit sind wir beim zweiten Charakteristikum des amerikanischen<br />

Souveränitätsbegriffs. Im Verlauf der Souveränitätskonstituierung auf<br />

der Ebene der Immanenz kommt es zu einer Endlichkeitserfahrung, die sich<br />

aus der konfliktualen und pluralen Natur der Menge als solcher ergibt. Das<br />

<strong>neue</strong> Prinzip der Souveränität scheint somit seine eigene interne Grenze zu<br />

erzeugen. Um zu verhindern, dass diese Hindernisse die Ordnung zerstören<br />

und das Projekt völlig aushöhlen, muss die souveräne Macht auf die Ausübung<br />

von Kontrolle vertrauen. Mit anderen Worten: Auf den ersten Moment<br />

der Bestätigung folgt eine dialektische Negation der konstituierenden<br />

Macht der Menge, welche die teleologische Ausrichtung des Souveränitätsprojekts<br />

bewahrt. Sind wir damit an einen kritischen Punkt bei der Ausarbeitung<br />

des <strong>neue</strong>n Begriffs gekommen? Kehrt die Transzendenz, die man<br />

zunächst bei der Bestimmung des Machtursprungs außen vor gelassen hat,<br />

bei der Machtausübung durchs Hintertürchen wieder zurück, wenn die<br />

Menge als endlich gedacht wird und somit spezielle Korrektur- und Kontrollinstrumente<br />

erforderlich werden?<br />

Dass es dazu kommt, ist eine ständige Gefahr, doch nachdem man diese<br />

internen Grenzen erkannt hat, öffnet sich der <strong>neue</strong> amerikanische Souveränitätsbegriff<br />

außerordentlich kraftvoll nach außen hin, gerade so, als wolle<br />

er den Gedanken an Kontrolle und das Reflexionsmoment aus der eigenen<br />

Verfassung verbannen. Das dritte Kennzeichen dieses Souveränitätsbegriffs<br />

ist seine Tendenz in Richtung eines offenen, expansiven Unternehmens auf<br />

unbegrenztem Terrain. Obwohl der Text der amerikanischen Verfassung<br />

diesem selbstreflexiven Moment sehr große Aufmerksamkeit schenkt, sind<br />

Verfassungswirklichkeit und -ausübung (und zwar während der gesamten<br />

Politischen und Rechtsprechungsgeschichte) ganz entschieden offen für<br />

expansive Bewegungen, für eine erneute Proklamation der demokratischen<br />

Machtbegründung. Das Prinzip der Expansion und die Kräfte der Beschränkung<br />

und Kontrolle liefern sich einen ständigen Kampf (Kämmen 1986).<br />

Es fällt auf, in welchem Maße dieses amerikanische Experiment auf die<br />

konstitutionelle Erfahrung der Antike und hier besonders auf die vom römi-

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