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BIOPOLITISCHE PRODUKTION 43<br />

1972). An diesem Punkt wäre der Versuch, bei Foucault eine Antwort auf<br />

die Frage nach der Dynamik des Systems oder vielmehr nach dem Bios zu<br />

finden, zum Scheitern verurteilt. <strong>Die</strong> wirklichen Antriebskräfte der Produktion<br />

in der biopolitischen Gesellschaft bekommt er nicht in den Griff. 24<br />

Deleuze und Guattari präsentieren im Gegenzug ein poststrukturalistisches<br />

Verständnis von Biomacht. Es er<strong>neue</strong>rt materialistische Positionen<br />

und ist mit der Frage nach der Produktion des gesellschaftlichen Seins fest<br />

verbunden. Ihre Arbeiten entmystifizieren den Strukturalismus und ebenso<br />

philosophische, soziologische und politische Konzepte, die gnadenlos an<br />

der Unverrückbarkeit ihres epistemologischen Gerüsts festhalten. Hier wird<br />

unsere Aufmerksamkeit auf die ontologische Substanz der gesellschaftlichen<br />

Produktion gelenkt. Maschinen produzieren. Das permanente Funktionieren<br />

sozialer Maschinen, ihre verschiedenen Apparate und Funktionszusammenhänge<br />

produzieren, gemeinsam mit den Subjekten und Objekten,<br />

die sie konstituieren, die Welt. Doch auch für Deleuze und Guattari scheint<br />

es nur möglich, Tendenzen kontinuierlicher Bewegung und allgegenwärtigen<br />

Fließens positiv zu fassen; die schöpferischen Momente und die radikale<br />

Ontologie der Produktion des Sozialen bleiben auch in ihrem Denken<br />

ohne Substanz und Kraft. Deleuze und Guattari entdecken die Produktivität<br />

der gesellschaftlichen Reproduktion (die schöpferische Produktion, die<br />

Produktion von Werten, von sozialen Beziehungen, Affekten, Haltungen),<br />

doch sie artikulieren sie nur oberflächlich und ephemer, als chaotischen,<br />

unbestimmten Horizont, den das unfassbare Ereignis beschreibt. 25<br />

Es geht um das Verhältnis von gesellschaftlicher Produktion und Biomacht.<br />

Besser in den Griff bekommen wir es mit Arbeiten einer Reihe zeitgenössischer<br />

marxistischer Autoren aus Italien, die die biopolitische Dimension<br />

als <strong>neue</strong>s Moment der produktiven lebendigen Arbeit und ihrer<br />

Entwicklung in der Gesellschaft behandeln. Sie verwenden Begriffe wie<br />

»Massenintellektualität«, »immaterielle Arbeit« und das Marxsche Konzept<br />

des »General Intellect«. 26 <strong>Die</strong>se Arbeiten nehmen ihren Ausgang von zwei<br />

miteinander verbundenen Untersuchungsprojekten. Das erste beschäftigt<br />

sich mit den jüngsten Veränderungen der produktiven Arbeit sowie deren<br />

Tendenz, zunehmend immateriell zu werden. <strong>Die</strong> zentrale Rolle bei der<br />

Produktion des Mehrwerts, die früher der Arbeitskraft der Fabrikarbeiter,<br />

dem »Massenarbeiter«, zukam, spielt heute überwiegend die intellektuelle,<br />

immaterielle und kommunikative Arbeit. Es ist daher notwendig, eine <strong>neue</strong><br />

politische Werttheorie zu entwickeln, der es gelingt, das Problem dieser<br />

<strong>neue</strong>n kapitalistischen Akkumulation des Werts als Kern des Ausbeu-

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