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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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GENERATION UND KORRUPTION 397<br />

<strong>Die</strong> Formen, in denen sich Korruption äußert, sind so zahlreich, dass sie<br />

aufzählen zu wollen dem Versuch gleicht, das Meer in ein Glas zu füllen.<br />

Wir wollen gleichwohl ein paar Beispiele nennen, auch wenn sie keinesfalls<br />

repräsentativ für das Ganze sein können. An erster Stelle steht dabei Korruption<br />

als individuelle Wahl, welche der grundlegenden, durch die biopolitische<br />

Produktion definierten Gemeinschaft und Solidarität entgegensteht<br />

und sie verletzt. Bei dieser kleinen, alltäglichen Gewalt der Macht handelt<br />

es sich um Korruption im Stil der Mafia. An zweiter Stelle ist die Korruption<br />

als Produktionsordnung zu nennen, oder genauer: in Form der Ausbeutung.<br />

Dazu gehört, dass die Werte, die sich aus der kollektiven Arbeitskooperation<br />

ergeben, ausgebeutet werden und dass das, was im Biopolitischen<br />

ab origine Öffentlich war, privatisiert wird. Der Kapitalismus ist vollständig<br />

in diese Privatisierungs-Korruption verwickelt. Wie der Heilige Augustinus<br />

sagt: <strong>Die</strong> großen Herrscher sind lediglich vergrößerte Darstellungen kleiner<br />

<strong>Die</strong>be. So realistisch Augustinus aber mit dieser pessimistischen Auffassung<br />

von Macht auch immer gewesen sein mag: Angesichts der heutigen<br />

<strong>Die</strong>be in Währungs- und Finanzmacht würde es ihm vermutlich die Sprache<br />

verschlagen. Denn wenn der Kapitalismus sein Verhältnis zum Wert verliert<br />

(und zwar sowohl als Maß individueller Ausbeutung wie auch als<br />

Norm kollektiven Fortschritts), erscheint er unmittelbar als Korruption.<br />

Seine zunehmend abstrakte Funktionsweise (von der Akkumulation des<br />

Mehrwerts hin zur Finanz- und Währungsspekulation) erweist sich als<br />

machtvoller Marsch in Richtung generalisierter Korruption. Wenn der Kapitalismus<br />

qua Definition ein Korruptionssystem ist, das gleichwohl wie in<br />

der Mandevilleschen Fabel durch seine kooperative Cleverness zusammen<br />

gehalten wird und dessen Verfehlungen, wie all seine Ideologen auf der<br />

Rechten wie auf der Linken nicht müde werden zu behaupten, durch seine<br />

fortschrittliche Funktion wieder aufgewogen werden, und wenn dann auch<br />

noch das Maß verloren geht und das fortschrittliche Telos zusammenbricht,<br />

dann bleibt vom Kapitalismus nur noch Korruption. Zum dritten zeigt sich<br />

Korruption in der Funktionsweise von Ideologie bzw. in der Pervertierung<br />

der sprachlichen Kommunikationssinne. Hier rührt Korruption an den Bereich<br />

der Biopolitik, indem sie dessen produktive Knotenpunkte angreift<br />

und deren generative Prozesse behindert. <strong>Die</strong>ser Angriff wird, viertens,<br />

deutlich, wenn die Terrordrohung in der imperialen Regierungspraxis zur<br />

Waffe wird, um begrenzte oder regionale Konflikte zu lösen, oder als Apparat<br />

imperialer Entwickung eingesetzt wird. In diesem Fall verbirgt sich die<br />

imperiale Befehlsgewalt und erscheint wahlweise als Korruption oder als

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