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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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WELTORDNUNG 31<br />

sierend zu wirken. Wir finden hier also diese hybride Form, beschrieben<br />

von Luhmann und Rawls, doch schon zuvor bei Kelsen, diesem utopischen<br />

und deshalb unfreiwilligen und widersprüchlichen Entdecker der Seele des<br />

imperialen Rechts.<br />

Einmal mehr hilft das antike Verständnis des <strong>Empire</strong>, den Charakter dieser<br />

sich formierenden <strong>Weltordnung</strong> genauer zu erfassen. Wie Thukydides,<br />

Livius und Tacitus lehren (und natürlich Machiavelli, wenn er ihre Schriften<br />

kommentiert), formt sich ein Imperium nicht auf der Grundlage von Gewalt,<br />

sondern aufgrund der Fähigkeit, den Einsatz von Gewalt als im <strong>Die</strong>nst<br />

des Rechts und des Friedens stehend darzustellen. Alle Interventionen der<br />

imperialen Streitkräfte werden von einer oder mehreren Parteien in einem<br />

bereits bestehenden Konflikt erbeten. Das <strong>Empire</strong> entsteht nicht aus freien<br />

Stücken, es wird vielmehr ins Leben gerufen, konstituiert aufgrund seiner<br />

Fähigkeiten zur Konfliktlösung. Das <strong>Empire</strong> formiert sich nur dann, sein<br />

militärischer Einsatz gilt nur dann als legitim und rechtens, wenn es bereits<br />

Teil der Kette von internationalen konsensuellen Übereinkünften ist, die auf<br />

die Lösung existierender Konflikte zielen. Um auf Machiavelli zurückzukommen:<br />

Für ihn liegen die Wurzeln der imperialen Expansion in den internen<br />

Fluchtlinien der Konflikte, zu deren Lösung das Imperium antritt<br />

(<strong>Negri</strong> 1992). <strong>Die</strong> erste Aufgabe des <strong>Empire</strong> besteht daher darin, den Bereich<br />

des Konsenses und der Zustimmung zur eigenen Macht auszudehnen.<br />

Das antike Modell bietet eine erste Annäherung, doch müssen wir darüber<br />

hinausgehen, wollen wir das globale Herrschaftsmodell heute in Begriffe<br />

fassen. Rechtspositivismus und Naturrechtstheorie, Vertragstheorie<br />

und Institutionalismus, Formalismus und Systemtheorie sind alle in der<br />

Lage, gewisse Aspekte zu beschreiben. Der Rechtspositivismus etwa unterstreicht<br />

die Notwendigkeit, dass im Zentrum der Normengebung eine starke<br />

Macht existiert; von der Naturrechtstheorie wird die Betonung auf Werte<br />

wie Frieden und Gleichgewicht gelegt, die die imperiale Entwicklung bietet;<br />

die Vertragstheorie stellt die Konsensbildung in den Vordergrund; der<br />

Institutionalismus beleuchtet die Formationsprozesse der Institutionen im<br />

Verhältnis zu den <strong>neue</strong>n Dimensionen von Konsens und Zwang; und vom<br />

Formalismus kommt die logische Erweiterung dessen, was die Systemtheorie<br />

funktionalistisch begründet und einordnet, nämlich den Totalitätscharakter<br />

des gesamten Prozesses. Doch welches Modell des Rechts wäre in<br />

der Lage, alle Aspekte der <strong>neue</strong>n supranationalen Ordnung zu erfassen?<br />

Für einen ersten Defmitionsversuch ist es sinnvoll, darauf hinzuweisen,<br />

dass die Dynamiken und Artikulationen der <strong>neue</strong>n supranationalen Rechts-

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