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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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KAPITALISTISCHE SOUVERÄNI TAT 335<br />

tes Machtzentrum zu bauen. Historisch tendiert das Kapital dazu, traditionelle<br />

gesellschaftliche Beschränkungen zu zerstören, territorial zu expandieren,<br />

und dazu, immer <strong>neue</strong> Bevölkerungsgruppen in seinem Voranschreiten<br />

einzuschließen. Das Kapital funktioniert, folgt man der Terminologie von<br />

Deleuze und Guattari, durch die universelle Dekodierung der Ströme, ihre<br />

massive Deterritorialisierung, um dann diese deterritorialisierten und dekodierten<br />

Ströme neu zu verbinden. Das Funktionieren des Kapitals als deterritorial<br />

isierend und immanent verweist auf drei wesentliche Aspekte, die<br />

Marx analysierte. Erstens trennt das Kapital, in den Prozessen der ursprünglichen<br />

Akkumulation, die Bevölkerung von besonderen kodierten<br />

Territorien und setzt sie in Bewegung. Es vertreibt sie von Grund und Boden<br />

und schafft ein »freies« Proletariat. Überlieferte Kultur und gesellschaftliche<br />

Organisation werden im unermüdlichen Vormarsch des Kapitals<br />

durch die Welt zerstört; das Kapital schafft dabei die Netzwerke und Pfade<br />

eines einzigen kulturellen und ökonomischen Produktions- und Zirkulationssystems.<br />

Zweitens führt das Kapital alle Formen des Werts auf einem<br />

gemeinsamen Feld zusammen und verbindet sie durch das Geld, ihr allgemeines<br />

Äquivalent. Das Kapital hat die Tendenz, alle früher vorhandenen<br />

Formen, wie Status, Titel oder Privileg, auf die Ebene der Beziehung zwischen<br />

Barem zu reduzieren, also auf quantifizierbare und kommensurable<br />

Ökonomische Größen. Drittens sind die Gesetze, nach denen das Kapital<br />

funktioniert, nicht eigenständig und festgeschrieben, sie stehen nicht über<br />

dem Kapital und lenken sein Wirken von oben, sondern sind historischer<br />

Veränderung unterworfene Gesetze, die dem Funktionieren des Kapitals<br />

selbst immanent sind: die Gesetze der Profitrate, der Ausbeutungsrate, der<br />

Realisierung des Mehrwerts etc.<br />

Das Kapital verlangt daher nicht eine transzendente Macht, sondern einen<br />

Kontrollmechanismus, der auf dem Immanenzfeld angesiedelt ist.<br />

Durch die gesellschaftliche Entwicklung des Kapitals werden die Mechanismen<br />

der modernen Souveränität - die Prozesse der Dekodierung, Überkodierung<br />

und Rekodierung, die dem beschränkten und segmentierten gesellschaftlichen<br />

Terrain eine transzendente Ordnung aufzwangen - Schritt<br />

für Schritt durch eine Axiomatik ersetzt: das heißt, eine Reihe von Gleichungen<br />

und Verhältnissen, die unmittelbar und gleich, auf unterschiedlichem<br />

Terrain, ohne Referenz auf vorgegebene festgeschriebene Definitionen<br />

oder Größen, Variablen und Koeffizienten determinieren und<br />

kombinieren (vgl. Deleuze/Guattari 1992, 638-655). Das Hauptmerkmal<br />

einer solchen Axiomatik ist, dass in ihr die Verhältnisse ihren Bedingungen

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