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NETZWERK-MACHT: DIE SOUVERÄNITÄT DER USA 175<br />

<strong>Die</strong>ses republikanische Rom war jedoch nicht das einzige Rom, das Machiavelli<br />

faszinierte und den amerikanischen Republikanern als Leitvorstellung<br />

diente. Deren <strong>neue</strong> »Wissenschaft von der Politik« war auch vom<br />

Rom der Kaiserzeit inspiriert, und zwar vor allem in der Form, wie es in<br />

den Schriften des Polybius dargestellt war. In erster Linie diente Polybius'<br />

Modell des imperialen Rom dazu, den republikanischen Vermittlungsprozess<br />

zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Mächten auf eine solidere<br />

Grundlage zu stellen und in einer Synthese verschiedener Regierungsformen<br />

zu einem Abschluss zu bringen. Nach Polybius war die vollkommene<br />

Herrschaftsform eine Mischverfassung, die Monarchie, Aristokratie und<br />

Demokratie miteinander verband (Polybius 1978). <strong>Die</strong> <strong>neue</strong>n politischen<br />

Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten organisierten diese drei Herrschaftsformen<br />

als die drei Zweige oder »Gewalten« der republikanischen<br />

Verfassung. Jedes Ungleichgewicht zwischen diesen Mächten — und hierin<br />

zeigt sich noch einmal der Einfluss des Polybius - signalisiert Korruption<br />

und Verfall. <strong>Die</strong> machiavellische Verfassung der Vereinigten Staaten ist so<br />

strukturiert, dass sie einem solchen Verfall entgegensteuern soll - der Korruption<br />

von Parteiungen wie Individuen, von Gruppen wie des Staates. <strong>Die</strong><br />

Verfassung sollte jedem zyklischen Verfall in Korruption entgegenarbeiten,<br />

indem sie die gesamte Menge aktivierte und deren konstituierende Fähigkeit<br />

in netzwerkartig organisierten Gegenmächten zum Tragen brachte, im<br />

Fluss unterschiedlicher und gleichberechtigter Funktionen und in einem<br />

Prozess dynamischer und expansiver Selbstregulierung.<br />

<strong>Die</strong>se antiken Modelle charakterisieren die amerikanische Erfahrung jedoch<br />

nur insofern so gut, weil sie in vielerlei Hinsicht wahrhaft neu und<br />

originell war. Zu ganz unterschiedlichen Zeiten haben sowohl Alexis de<br />

Tocqueville als auch Hannah Arendt das Neuartige an dieser <strong>neue</strong>n Ideologie<br />

und Machtform zu erfassen versucht. Tocqueville war dabei der vorsichtigere<br />

von beiden. Obwohl er die Vitalität der <strong>neue</strong>n politischen Welt in<br />

den Vereinigten Staaten sehr wohl wahrnahm und erkannte, wie die Synthese<br />

verschiedener Regierungsformen in eine geregelte Massendemokratie<br />

verwandelt worden war, behauptete er zugleich, dass die demokratische<br />

Revolution in Amerika an ihre natürlichen Grenzen gestoßen sei. Sein Urteil<br />

darüber, ob die amerikanische Demokratie den alten Verfallszyklus<br />

vermeiden kann, war somit gemischt, wenn nicht sogar ausgesprochen pessimistisch<br />

(Tocqueville 1835-40, 5-19). Im Gegensatz dazu pries Hannah<br />

Arendt die amerikanische Demokratie vorbehaltlos als Ort, an dem die moderne<br />

Politik als solche erfunden worden sei. <strong>Die</strong> Kernidee der amerikani-

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