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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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374 UNTERGANG UND FALL DES EMPIRE<br />

Faschismus und Nationalsozialismus gerade dadurch, dass sie Menschen in<br />

solch monströser Weise auf das Minimum des nackten Lebens reduzierten,<br />

vergeblich versuchten, die enorme Macht, zu der das nackte Leben werden<br />

kann, zu zerstören und die Form, in der die <strong>neue</strong>n Mächte produktiver Kooperation<br />

der Menge akkumuliert sind, auszulöschen. Im Zuge dessen<br />

könnte man sagen, dass die reaktionären Delirien von Faschismus und Nationalsozialismus<br />

gerade zu dem Zeitpunkt ausbrachen, als das Kapital entdeckt<br />

hatte, dass soziale Kooperation nicht mehr Folge von Kapitalinvestitionen<br />

war, sondern eine autonome Macht, das Apriori jeder Produktionstätigkeit.<br />

Wenn menschliche Macht unmittelbar als eine autonome, kooperative<br />

kollektive Kraft auftritt, ist die kapitalistische Vorgeschichte zu Ende.<br />

Anders ausgedrückt: <strong>Die</strong> kapitalistische Vorgeschichte ist dann zu Ende,<br />

wenn soziale und subjektive Kooperation nicht mehr Produkt, sondern Voraussetzung<br />

ist, wenn das nackte Leben in den Rang einer Produktivkraft<br />

erhoben wird oder genauer: wenn es als Reichtum der Virtualität erscheint.<br />

<strong>Die</strong> wissenschaftlichen, affektiven und sprachlichen Kräfte der Menge<br />

verändern die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen in aggressiver<br />

Weise. Das Feld, auf dem sich die Menge die Produktivkräfte wieder aneignet,<br />

ist ein Feld radikaler Metamorphosen - Schauplatz eines schöpferischen<br />

Vorgangs. <strong>Die</strong>ser besteht vor allem in einer vollständigen Revision<br />

der Produktion kooperativer Subjektivität; er besteht in einem Akt der Verschmelzung<br />

und Hybridisierung mit den Maschinen, welche die Menge sich<br />

wieder angeeignet und neu erfunden hat; er besteht somit in einem Exodus,<br />

der nicht nur räumlich, sondern auch mechanisch ist, und zwar in dem Sinne,<br />

dass das Subjekt in eine Maschine verwandelt wird (und die Kooperation,<br />

die es konstituiert, in dieser Maschine vervielfacht findet). Hier haben<br />

wir es demnach mit einer <strong>neue</strong>n Form des Exodus zu tun, einem Exodus in<br />

Richtung (oder mit der) Maschine - einem maschinischen Exodus (Guattari<br />

1979: Deleuze/Guattari 1974). <strong>Die</strong> Geschichte des modernen Arbeiters und<br />

des Subjekts moderner Souveränität enthält bereits einen umfangreichen<br />

Katalog maschinischer Metamorphosen, doch die Hybridisierung von Menschen<br />

und Maschinen folgt heute - anders als die gesamte Moderne hindurch<br />

- nicht mehr einem linearen Pfad. Wir haben den Augenblick erreicht,<br />

in dem das Machtverhältnis, das die Hybridbildungen und maschinischen<br />

Metamorphosen bestimmt hatte, nunmehr überwunden werden<br />

kann. Schon Marx hatte erkannt, dass der Konflikt zwischen Arbeitern und<br />

Maschinen nicht wirklich einer war: »Es bedarf Zeit und Erfahrung, bevor<br />

der Arbeiter die Maschinerie von ihrer kapitalistischen Anwendung unter-

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