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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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WIDERSTAND, KRISE, TRANSFORMATION 273<br />

Vergesellschaftung des Kapitals führte zudem in Richtung einer sozialen<br />

Vereinheitlichung des Proletariats. Aus dieser Einheit heraus wurde nun<br />

allgemein der Anspruch auf ein garantiertes gesellschaftliches Einkommen<br />

und ein hohes Niveau sozial staatlicher Leistungen erhoben (vgl. Piven/<br />

Cloward 1977; 1982). Drittens schließlich richtete sich der Arbeiterangriff<br />

direkt gegen das kapitalistische Kommando. <strong>Die</strong> Verweigerung der Arbeit<br />

und die soziale Vereinheitlichung des Proletariats kamen im frontalen Angriff<br />

auf das Zwangsregime der gesellschaftlichen Arbeit und die Disziplinarstrukturen<br />

des Kommandos zusammen. <strong>Die</strong> Arbeiteroffensive war uneingeschränkt<br />

politisch - obwohl viele Formen der Massenpraxis, besonders<br />

von Jugendlichen, ausgesprochen apolitisch schienen -, da sie die politischen<br />

Nervenzentren der kapitalistischen Ökonomie freilegte und traf.<br />

<strong>Die</strong> bäuerlichen und proletarischen Kämpfe in den beherrschten Ländern<br />

zwangen die politischen Regimes vor Ort und international gleichfalls zur<br />

Veränderung. Jahrzehnte revolutionärer Kämpfe - von der chinesischen<br />

Revolution bis Vietnam, von der kubanischen Revolution bis zu den zahlreichen<br />

Befreiungskämpfen überall in Lateinamerika, Afrika und in der<br />

arabischen Welt - hatten proletarische Lohnforderungen in den Vordergrund<br />

gestellt, denen verschiedene sozialistische und/oder nationalistische<br />

reformistische Regimes nachzukommen hatten und die das internationale<br />

ökonomische System direkt destabilisierten. <strong>Die</strong> Modernisierungsideologie<br />

schuf, auch wenn sie keine »Entwicklung« brachte, <strong>neue</strong> Wünsche, die über<br />

die vorhandenen Produktions- und Reproduktionverhältnisse hinausgingen.<br />

Der plötzliche Preisanstieg für Rohstoffe, Energie und bestimmte<br />

Agrarprodukte in den 1960er und 70er Jahren kann als Symptom dieser<br />

<strong>neue</strong>n Wünsche und des zunehmenden Lohndrucks des Proletariats auf internationaler<br />

Ebene gelten. <strong>Die</strong> Kämpfe wirkten sich nicht nur quantitativ<br />

aus, sondern bestimmten auch ein <strong>neue</strong>s qualitatives Moment, das die Intensität<br />

der Krise grundlegend kennzeichnete. Mehr als ein Jahrhundert lang<br />

war es mit den Praktiken des Imperialismus gelungen, alle Formen der Produktion<br />

weltweit dem Kapitalkommando zu subsumieren; in dieser Übergangsperiode<br />

verstärkte sich diese Tendenz noch. Dadurch wurde notwendigerweise<br />

eine potenzielle oder virtuelle Einheit des internationalen<br />

Proletariats hergestellt. <strong>Die</strong>se virtuelle Einheit war als eine globale politische<br />

Einheit niemals aktualisiert, hatte aber dennoch substanzielle Auswirkungen.<br />

Mit anderen Worten: Es sind nicht die wenigen Beispiele einer<br />

tatsächlichen und bewussten internationalen Organisation der Arbeit, die<br />

hier von Bedeutung sind, sondern vielmehr das objektive Zusammentreffen

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