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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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182 PASSAGEN DER SOUVERANIIAT<br />

schützen müssen, so müssen sie sich auch bewaffnet gegen die indigene Bevölkerung<br />

zur Wehr setzen. <strong>Die</strong> amerikanischen Ureinwohner waren gemäß<br />

dieser Logik nur ein besonders widerspenstiger Teil der Natur, gegen die<br />

man beständig Krieg führte, um sie zu vertreiben und/oder auszurotten.<br />

Hier haben wir es mit einem Widerspruch zu tun, der im Rahmen der Verfassungsmaschine<br />

nicht gelöst werden konnte: <strong>Die</strong> amerikanischen Ureinwohner<br />

ließen sich nicht als Teil der konstitutionellen Tendenz in die Logik<br />

der expansiven Grenzverschiebung integrieren; vielmehr mussten sie vom<br />

Territorium ausgeschlossen werden, um dessen Räume zu öffnen und Expansion<br />

zu ermöglichen. Hätte man sie anerkannt, hätte es auf dem Kontinent<br />

keine wirkliche frontier und keine offenen Räume, die man besetzen<br />

konnte, gegeben. Sie standen als deren negative Begründung außerhalb der<br />

Verfassung, oder anders ausgedrückt: Deren Ausschluss und Eliminierung<br />

waren notwendige Bedingungen dafür, dass die Verfassung überhaupt<br />

funktionieren konnte. <strong>Die</strong>sen Widerspruch mag man vielleicht gar nicht<br />

einmal als wirkliche Krise begreifen, weil die amerikanischen Ureinwohner<br />

auf so drastische Weise von der Wirkungsweise der Verfassungsmaschine<br />

ausgeschlossen und ihr äußerlich waren.<br />

In dieser ersten Phase, die von der Gründung der demokratischen Republik<br />

bis zum Bürgerkrieg reicht, geriet die konstitutionelle Dynamik aufgrund<br />

eines inneren Widerspruchs in die Krise. Während die amerikanischen<br />

Ureinwohner von der Verfassung ausgeschlossen blieben, gehörten<br />

die afrikanischen Amerikaner von Anfang an dazu. <strong>Die</strong> Vorstellung von der<br />

Grenze und Theorie und Praxis eines offenen demokratischen Raums waren<br />

in der Tat eng mit einem gleichfalls offenen und dynamischen Begriff von<br />

Volk, Menge und gens verwoben. Das republikanische Volk ist ein <strong>neue</strong>s<br />

Volk, ein Volk im Exodus, das leere (oder geleerte) <strong>neue</strong> Territorien bevölkert.<br />

Von Anfang an war der amerikanische Raum nicht nur ein extensiver,<br />

unbegrenzter Raum, sondern auch ein intensiver: ein Raum der Überschneidungen,<br />

ein »Schmelztiegel« ständiger Hybridbildung. <strong>Die</strong> erste<br />

wirkliche Krise amerikanischer Freiheit blieb auf diesen inneren, intensiven<br />

Raum beschränkt. <strong>Die</strong> Versklavung der Schwarzen, eine Praxis, die man<br />

von den Kolonialmächten geerbt hatte, war ein unüberwindliches Hindernis<br />

bei der Bildung eines freien Volks. <strong>Die</strong> großartige antikoloniale Verfassung<br />

der USA musste diese paradigmatische Institution des Kolonialismus in<br />

ihren Kern aufnehmen. <strong>Die</strong> Ureinwohner konnte man ausschließen, weil die<br />

<strong>neue</strong> Republik nicht von ihrer Arbeitskraft abhängig war, aber die Arbeitskraft<br />

der schwarzen Sklaven war eine unabdingbare Stütze für die noch

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