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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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210 PASSAGFN DER SOUVERÄNITÄT<br />

usw. In seinem einschließenden Moment ist das <strong>Empire</strong> blind gegenüber<br />

Differenzen; in seiner Akzeptanz ist es absolut indifferent. Es erreicht eine<br />

universelle Inklusion, indem es die Differenzen, die sich nicht aufheben<br />

oder regeln lassen und deshalb zu sozialen Konflikten fuhren könnten, beiseite<br />

schiebt. Differenzen beiseite zu lassen setzt voraus, dass man Differenzen<br />

als unwichtig oder relativ betrachtet und sich weniger eine Situation<br />

vorstellt, in der es sie nicht gibt, sondern vielmehr eine, in der man sie nicht<br />

zur Kenntnis nimmt. Ein Schleier der Ignoranz sorgt für universelle Akzeptanz.<br />

Wenn das <strong>Empire</strong> blind gegenüber diesen Differenzen ist und es<br />

seine Konstituenten dazu zwingt, sie außen vor zu lassen, so kann es im<br />

gesamten imperialen Raum zu einem übergreifenden Konsens kommen.<br />

Differenzen beiseite zu lassen bedeutet letztlich, das Potenzial für verschiedene<br />

konstituierende Subjektivitäten zu entziehen. Der daraus resultierende<br />

öffentliche Raum der Machtneutralität ermöglicht die Etablierung und Legitimation<br />

eines universellen Rechtsbegriffs, der das Herzstück des <strong>Empire</strong><br />

ausmacht. Das Gesetz der einschließenden neutralen Indifferenz bildet eine<br />

universelle Begründung in dem Sinne, dass es sich in gleicher Weise auf<br />

alle Subjekte bezieht, die unter imperialer Herrschaft leben oder leben<br />

könnten. In diesem ersten Moment ist das <strong>Empire</strong> somit eine Maschine universeller<br />

Integration, ein offener Mund mit nicht zu stillendem Hunger, es<br />

lädt alle ein, friedlich in sein Reich zu kommen. (Gebt mir eure armen, eure<br />

hungrigen, eure geknechteten Massen ...) Das <strong>Empire</strong> befestigt seine Grenzen<br />

nicht, um andere fern zu halten, sondern es zieht die anderen wie ein<br />

riesiger Schlund in seine friedfertige Ordnung. Da die Grenzen und Differenzen<br />

unterdrückt oder ausgeklammert werden, wirkt das <strong>Empire</strong> wie ein<br />

glatter Raum, in dem sich die Subjektivitäten ohne nennenswerten Widerstand<br />

oder Konflikt bewegen.<br />

Das zweite Moment imperialer Kontrolle, das unterscheidende, fuhrt zur<br />

Betonung der Differenzen, die innerhalb des imperialen Bereichs akzeptiert<br />

sind. Während diese Differenzen aus rechtlicher Sicht ausgeklammert werden<br />

müssen, werden sie aus kultureller Sicht bewusst hervorgehoben. Da<br />

diese Differenzen nunmehr eher als kulturell und kontingent denn als biologisch<br />

und essenziell betrachtet werden, glaubt man, sie würden das zentrale<br />

Band der Gemeinsamkeit oder den übergreifenden Konsens, der den einschließenden<br />

Mechanismus des <strong>Empire</strong> kennzeichnet, unbeeinflusst lassen.<br />

Sie gelten als nichtkonfliktuale Differenzen, die man, wenn nötig, außer<br />

Acht lassen kann. So wurden beispielsweise seit dem Ende des Kalten<br />

Kriegs in den sozialistischen und ehemals sozialistischen Ländern mit kräf­

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