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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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214 P A S S A G E N D E R SOU V E R Ä NIT Ä T<br />

cum-rumpere = zusammenbrechen). <strong>Die</strong> imperiale Gesellschaft bricht immer<br />

und überall zusammen, was aber nicht heißt, dass sie zwangläufig dem<br />

völligen Ruin entgegen geht. So wie die Krise der Moderne in unserer Darstellung<br />

nicht auf einen drohenden oder zwingenden Kollaps hinauslief, so<br />

verweist auch die Korruption des <strong>Empire</strong> nicht auf irgendeine Teleologie<br />

oder ein absehbares Ende. Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> Krise der modernen<br />

Souveränität war keine temporäre und keine Ausnahme (als eine solche<br />

Krise könnte man etwa den Börsencrash von 1929 bezeichnen), sondern<br />

vielmehr die Norm der Moderne. Ähnlich ist die Korruption kein Irrweg<br />

imperialer Souveränität, sondern deren Wesen und modus operandi. <strong>Die</strong><br />

imperiale Ökonomie beispielsweise funktioniert gerade über diese Korruption,<br />

ja, sie kann gar nicht anders funktionieren. Sicherlich gibt es eine Tradition,<br />

die Korruption als tragisches Verhängnis des <strong>Empire</strong> betrachtet, als<br />

das Unglück, ohne das das <strong>Empire</strong> triumphiert hätte: Man denke an zwei so<br />

unterscheidliche Beispiele wie Shakespeare und Gibbon. Wir hingegen betrachten<br />

Korruption nicht als zufällig, sondern als notwendig. Oder genauer:<br />

Das <strong>Empire</strong> verlangt notwendigerweise, dass alle Relationen zufällig sind.<br />

Imperiale Macht gründet auf dem Zerbrechen jeder festen ontologischen<br />

Beziehung. Korruption ist schlicht das Zeichen für die Absenz jeglicher<br />

Ontologie. In diesem ontologischen Vakuum wird Korruption nötig, ja zum<br />

Ziel. Imperiale Souveränität lebt von den wuchernden Widersprüchen, welche<br />

die Korruption erzeugt; sie gewinnt Stabilität durch ihre Instabilitäten,<br />

durch ihre Unreinheiten und Beimischungen; sie findet in der Panik und der<br />

Angst, die sie ständig verbreitet, Beruhigung. Korruption bezeichnet den<br />

fortwährenden Prozess der Veränderung und Metamorphose, die nichtbegründende<br />

Begründung, die deontologische Seinsweise.<br />

Wir sind somit bei einer ganzen Reihe von Unterscheidungsmerkmalen<br />

angelangt, die begrifflich den Übergang von der modernen zur imperialen<br />

Souveränität markieren: vom Volk zur Menge, vom dialektischen Gegensatz<br />

zur Koordination von Hybriden, vom Ort moderner Souveränität zum<br />

Nicht­Ort des <strong>Empire</strong>, von der Krise zur Korruption.<br />

VERWEIGERUNG<br />

Bartleby möchte Heber nicht. Das Geheimnis von Herman Melvilles klassischer<br />

Erzählung liegt in der Absolutheit der Verweigerung. Jedes Mal,<br />

wenn sein Chef ihn bittet, doch seine Pflichten zu erfüllen, wiederholt

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