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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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192 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

In der Endphase und im Gefolge des Kalten Kriegs »fiel« den Amerikanern<br />

die Verantwortung, eine internationale Polizeifunktion auszuüben,<br />

unmittelbar zu. Im Golfkrieg konnten die USA diese Macht erstmals in<br />

voller Form ausüben. Tatsächlich war dieser Krieg, betrachtet man ihn unter<br />

dem Blickwinkel der Ziele, der regionalen Interessen und der politischen<br />

Ideologien, die dabei eine Rolle spielten, eine wenig bemerkenswerte Repressionsmaßnahme.<br />

Wir haben viele solcher Kriege erlebt, die von den<br />

USA und ihren Verbündeten geführt wurden. Der Irak wurde beschuldigt,<br />

gegen internationales Recht verstoßen zu haben, und musste deshalb verurteilt<br />

und bestraft werden. <strong>Die</strong> wirkliche Bedeutung des Golfkriegs liegt<br />

vielmehr in der Tatsache begründet, dass die USA die einzige Macht waren,<br />

die für internationale Gerechtigkeit sorgen konnte, und zwar nicht aus eigenen<br />

nationalen Erwägungen heraus, sondern im Namen des globalen<br />

Rechts. Zwar gab es auch zuvor schon zahlreiche Mächte, die fälschlicherweise<br />

behaupteten, in einem universellen Interesse zu handeln, aber diese<br />

<strong>neue</strong> Rolle der Vereinigten Staaten ist eine andere. Genauer könnte man<br />

vielleicht sagen: <strong>Die</strong>ser <strong>neue</strong> Universalitätsanspruch mag ebenso falsch<br />

sein, aber er ist auf eine <strong>neue</strong> Weise falsch. <strong>Die</strong> USA als Weltpolizist handeln<br />

nicht im Interesse des Imperialismus, sondern im Interesse des <strong>Empire</strong>. In<br />

dieser Hinsicht kündete der Golfkrieg in der Tat, wie George Bush behauptete,<br />

von der Heraufkunft einer <strong>neue</strong>n <strong>Weltordnung</strong>.<br />

<strong>Die</strong>se imperiale Ordnung iässt sich jedoch nicht durch die bloße Wirksamkeit<br />

rechtlicher Sanktion und die zu deren Durchsetzung erforderliche<br />

militärische Macht legitimieren. <strong>Die</strong>s bedarf vielmehr der Setzung internationaler<br />

Rechtsnormen, welche die Macht des hegemonialen Akteurs dauerhaft<br />

und legal begründen. Damit gelangt der konstitutionelle Prozess, der<br />

mit Wilson begann, letztlich zur Reife und taucht wieder auf. Zwischen<br />

dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, zwischen Wilsons Messianismus<br />

und den internationalen ökonomisch­politischen Initiativen des New Deal<br />

­wir werden darauf in Abschnitt III.2 zurückkommen ­ wurde eine ganze<br />

Reihe internationaler Organisationen eingerichtet, die das produzierten, was<br />

man in der traditionellen Vertragsterminologie internationalen Rechts als<br />

Normativitäts­ und Effektivitätsüberhang bezeichnet. <strong>Die</strong>ser Überhang<br />

wurde im Geiste der Charta von San Francisco, mit der die Vereinten Nationen<br />

begründet wurden, auf eine expansive und tendenziell universelle<br />

Grundlage gestellt. <strong>Die</strong>ser interne Einigungsprozess wurde zwar durch den<br />

Kalten Krieg behindert, aber nicht vollständig blockiert. Während des Kalten<br />

Kriegs kam es sowohl zu einer Vervielfachung internationaler Rechtset­

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