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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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176 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

sehen Revolution, so behauptete sie, sei die Durchsetzung von Freiheit,<br />

oder genauer: die Begründung einer politischen Körperschaft, die den<br />

Raum, in dem Freiheit walten kann, sichert (Arendt 1965). Arendt legt die<br />

Betonung auf die Verankerung dieser Demokratie in der Gesellschaft, das<br />

heißt auf deren feste Begründung und deren stabiles Funktionieren. Ihrer<br />

Ansicht nach gelingt die Revolution in dem Maße, in dem sie der Dynamik<br />

der konstituierenden Mächte ein Ende setzt und eine stabile konstituierte<br />

Macht etabliert.<br />

An späterer Stelle werden wir diesen in der US-Verfassung enthaltenen<br />

Begriff der Netzwerk-Macht kritisch unter die Lupe nehmen, doch hier<br />

wollen wir zunächst schlicht seine Originalität hervorheben. Im Gegensatz<br />

zu den modernen europäischen Souveränitätsvorstellungen, die politische<br />

Macht einem transzendenten Bereich zuordneten und somit die Quellen der<br />

Macht von der Gesellschaft fernhielten und entfremdeten, bezieht sich der<br />

Souveränitätsbegriff hier auf eine Macht, die vollständig in der Gesellschaft<br />

wurzelt. Politik steht der Gesellschaft nicht gegenüber, sondern integriert<br />

und komplettiert sie.<br />

Umfassendes <strong>Empire</strong><br />

Bevor wir untersuchen, wie sich dieses <strong>neue</strong> Prinzip der Souveränität im<br />

Laufe der amerikanischen Geschichte entwickelte und veränderte, wollen<br />

wir uns für einen Augenblick der Natur dieses Begriffs an sich zuwenden.<br />

Der amerikanische Souveränitätsbegriff ist zum ersten dadurch gekennzeichnet,<br />

dass er im Gegensatz zum transzendenten Charakter der modernen<br />

europäischen Souveränität von der Immanenz der Macht ausgeht. <strong>Die</strong>ser<br />

Immanenzgedanke beruht auf einer Vorstellung von Produktivität. Gäbe es<br />

diese nicht, bliebe das Prinzip wirkungslos: In der Immanenz an sich gibt es<br />

nichts, was die Gesellschaft politisch werden ließe. <strong>Die</strong> Menge, welche die<br />

Gesellschaft bildet, ist produktiv. <strong>Die</strong> amerikanische Souveränität besteht<br />

demnach nicht in einer Regulierung der Menge, sondern entsteht vielmehr<br />

erst aus den produktiven Synergien der Menge. Sowohl die humanistische<br />

Revolution der Renaissance wie auch die anschließenden Erfahrungen eines<br />

sektiererischen Protestantismus entwickelten diesen Produktivitätsgedanken.<br />

Im Einklang mit der protestantischen Ethik könnte man sagen, dass<br />

einzig die Produktivkraft der Menge von der Existenz Gottes und der Göttlichkeit<br />

auf Erden zeugt (vgl. Weber 1905; Walzer 1988). Macht ist nichts,

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