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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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DIE DIALEKTIK KOLONIALER SOUVERÄNITÄT 147<br />

Ordnung des Kapitals zu finden, während er gleichzeitig darum bemüht ist,<br />

die Widersprüche zwischen Kapital und Volk in einem permanenten<br />

Spannnungszustand zu halten. Alle Politik gilt es nun den übergreifenden<br />

Erfordernissen des die Nation repräsentierenden Staates unterzuordnen.«<br />

(Chatterjee 1986, 168). <strong>Die</strong> gesamte logische Repräsentationskette lässt<br />

sich etwa folgendermaßen zusammenfassen: Das Volk repräsentiert die<br />

Menge, die Nation repräsentiert das Volk, und der Staat repräsentiert die<br />

Nation. Jedes Verbindungsglied dieser Kette ist der Versuch, die Krise der<br />

Moderne aufrechtzuerhalten. Repräsentation bedeutet in jedem dieser Fälle<br />

einen weiteren Schritt in Richtung Abstraktion und Kontrolle. Von Indien<br />

bis Algerien, von Kuba bis Vietnam - der Staat ist das vergiftete Geschenk<br />

nationaler Befreiung.<br />

Das letzte Verbindungsglied, das die notwendige Unterordnung des<br />

postkolonialen Nationalstaates erklären soll, ist jedoch die globale Ordnung<br />

des Kapitals. <strong>Die</strong> globale kapitalistische Hierarchie, welche die formal souveränen<br />

Staaten ihrer Ordnung unterwirft, unterscheidet sich grundlegend<br />

von den kolonialistischen und imperialistischen Formen internationaler<br />

Herrschaft. Das Ende des Kolonalismus ist auch das Ende der modernen<br />

Welt und moderner Herrschaftsformen. Und natürlich hat das Ende des modernen<br />

Kolonialismus nicht wirklich ein Zeitalter bedingungsloser Freiheit<br />

eröffnet, sondern vielmehr zu <strong>neue</strong>n Herrschaftsformen geführt, die im globalen<br />

Maßstab operieren. Hier erkennen wir zum ersten Mal wirklich den<br />

Übergang zum <strong>Empire</strong>.<br />

ANSTECKUNG<br />

Als Louis-Ferdinand Destouch.es (der sich Celine nannte) nach Afrika kam,<br />

war alles, was er dort fand, die Krankheit. In der unvergesslichen Afrika-<br />

Passage seiner Reise ans Ende der Nacht erblickt der Ich-Erzähler durch<br />

den Schleier seines Fieberdeliriums eine Bevölkerung, die vollkommen von<br />

Krankheit durchdrungen ist: »(...) dass die Eingeborenen der Umgebung<br />

von allen möglichen Übeln [toutes les maladies attrapable] geplagt wären,<br />

beinahe bis zur völligen Vernichtung (,..)« (Celine 1952, 195). Vielleicht<br />

sollten wir ja genau das von Doktor Destouches erwarten, wenn wir bedenken,<br />

dass er vom Völkerbund nach Afrika geschickt wurde, um dort als Hygieniker<br />

zu arbeiten, doch selbstverständlich arbeitet Celine hier auch mit<br />

einem Gemeinplatz des Kolonialbewusstseins.

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