24.06.2017 Aufrufe

Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

30 DIE POLITISCHE KONSTITUTION DER GEGENWART<br />

Autorität. Frieden, Gleichgewicht und die Beendigung von Konflikten sind<br />

die Werte, auf die alles ausgerichtet ist. <strong>Die</strong> Entwicklung des globalen Systems<br />

(und hier an erster Stelle des imperialen Rechts) erscheint wie die Entwicklung<br />

einer Maschine, die durch Prozeduren permanenter Vertraglichung<br />

ein systemisches Gleichgewicht schafft; eine Maschine, die andauernd<br />

den Ruf nach Autorität hervorbringt. <strong>Die</strong> Maschine determiniert von<br />

vornherein Autorität und Handlungsmöglichkeiten im gesamten sozialen<br />

Raum. Jede Bewegung wirkt unveränderlich und kann sich den ihr zugewiesenen<br />

Ort nur innerhalb des Systems suchen, innerhalb des entsprechenden<br />

hierarchischen Verhältnisses. Durch eine solche präkonstituierte Bewegung<br />

ist die Wirklichkeit bestimmt, die Entwicklung der imperialen<br />

Konstitution der <strong>Weltordnung</strong> - das <strong>neue</strong> Paradigma.<br />

Das imperiale Paradigma unterscheidet sich qualitativ von den verschiedenen<br />

Versuchen, in der Übergangsperiode ein Projekt internationaler Ordnung<br />

zu definieren (vgl. Rittenberger 1994). Während die vorausgegangenen<br />

Entwürfe die Aufmerksamkeit auf den Übergang und auf die<br />

Dynamiken der Legitimationsprozesse richteten, die zu einer <strong>neue</strong>n Ordnung<br />

führen könnten, verfügt das <strong>neue</strong> Paradigma darüber, als ob die <strong>neue</strong><br />

Ordnung bereits konstituiert wäre. Titel und Ausübung der Macht sind untrennbar;<br />

das gehört vom ersten Moment an zum Konzept, als Apriori des<br />

Systems. <strong>Die</strong> nicht vollständige Koinzidenz, das heißt das immer schon<br />

vorhandene zeitliche und räumliche Auseinanderklaffen von <strong>neue</strong>r zentraler<br />

Macht und Bereichen, in denen ihre Regeln gelten, führt nicht zur Krise<br />

oder Paralyse, sondern zwingt das System vielmehr dazu, diese Risse zu<br />

minimieren und zu überwinden. Der Paradigmenwechsel ist also zunächst<br />

dadurch gekennzeichnet anzuerkennen, dass nur eine etablierte Macht, die<br />

im Verhältnis zu den Nationalstaaten überdeterminiert und relativ autonom<br />

agiert, in der Lage ist, als Mittelpunkt der <strong>neue</strong>n <strong>Weltordnung</strong> zu fungieren,<br />

sie wirksam zu regulieren und, wenn nötig, Zwang anzuwenden.<br />

Daraus ergibt sich eine Art des Rechtspositivismus, der wie ein paradoxes<br />

Ergebnis von Kelsens Utopie wirkt und den Formationsprozess der <strong>neue</strong>n<br />

Rechtsordnung dominiert (vgl. Kelsen 1944). <strong>Die</strong> Fähigkeit, System zu<br />

werden, setzt tatsächlich den realen Formationsprozess voraus. Mehr noch:<br />

Der Formationsprozess, inklusive der in ihm handelnden Subjekte, wird<br />

von vornherein in den positiv bestimmten Strudel des Zentrums gezogen,<br />

und der Sog ist schließlich unwiderstehlich. Der Sog geht nicht allein auf<br />

die Mittel des Zentrums zurück, Gewalt auszuüben, sondern auch auf die<br />

formale Macht, die ihm innewohnt, die Macht, totalisierend und systemati-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!