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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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SOUVERÄNITÄT 199<br />

und das Verhältnis dieses Territoriums zu seiner Außenwelt bestimmt. So<br />

fassten beispielsweise Gesellschaftstheoretiker der frühen Moderne, von<br />

Hobbes bis Rousseau, die zivile Ordnung als begrenzten inneren Raum auf,<br />

dem eine äußere Ordnung der Natur gegenübergestellt wurde bzw. entsprach.<br />

Der begrenzte Raum dieser zivilen Ordnung, ihr Ort, wird durch die<br />

Abgrenzung von den äußeren Naturräumen bestimmt. In analoger Weise<br />

fasste die moderne Psychologie Triebe, Leidenschaften, Instinkte und das<br />

Unbewusste in eine Raummetaphorik und verstand sie als ein Außen innerhalb<br />

des menschlichen Geistes, ein Fortwirken der Natur irgendwo tief in<br />

uns. Hier beruht die Souveränität des Ichs auf einem dialektischen Verhältnis<br />

zwischen der natürlichen Ordnung der Triebe und der zivilen Ordnung der<br />

Vernunft oder des Bewusstseins. Und schließlich dienen die verschiedenen<br />

anthropologischen Diskurse über primitive Gesellschaften als das Außen,<br />

das die Grenze der zivilen Welt bestimmt. Der Modernisier ungs­prozess<br />

bedeutet in all diesen unterschiedlichen Kontexten die Internalisie­rung des<br />

Äußeren, d.h. die Zivilisierung der Natur.<br />

In der imperialen Welt findet diese Dialektik der Souveränität zwischen<br />

ziviler und natürlicher Ordnung ein Ende. Nicht zuletzt in genau diesem<br />

Sinne ist die heutige Welt postmodern. »Postmoderne«, so Fredric Jameson,<br />

»ist dann, wenn der Modernisierungsprozess vollendet und die Natur endgültig<br />

verschwunden ist« (Jameson 1990, IX). Zwar verfugen wir in unserer<br />

Welt weiterhin über Wälder, Grillen und Gewitter und wir sind auch weiterhin<br />

davon überzeugt, dass unsere Psyche von natürlichen Instinkten und<br />

Leidenschaften getrieben wird; wir haben jedoch keine Natur mehr in dem<br />

Sinne, dass diese Kräfte und Phänomene als Äußeres, d.h. als ursprünglich<br />

und unabhängig von der künstlichen zivilen Ordnung, verstanden werden<br />

können. In einer postmodernen Welt sind alle Phänomene und Kräfte<br />

künstlich oder, wie manche sagen würden, Teil der Geschichte. An die<br />

Stelle der modernen Dialektik von Innen und Außen ist ein Spiel der Gradunterschiede<br />

und Intensitäten, von Hybridität und Künstlichkeit getreten.<br />

Das Außen hat sich auch im Hinblick auf eine ganz andere moderne<br />

Dialektik aufgelöst, die in der liberalen politischen Theorie das Verhältnis<br />

zwischen öffentlich und privat bestimmte. <strong>Die</strong> Öffentlichen Räume der modernen<br />

Gesellschaft, die zugleich der Ort liberaler Politik sind, verschwin­den<br />

in der postmodernen Welt allmählich. Gemäß der liberalen Tradition<br />

betrachtet das moderne Individuum, das in seinen privaten Räumen zu Hau­se<br />

ist. die Öffentlichkeit als sein Außen. <strong>Die</strong>ses Außen ist der Ort der Poli­ ­<br />

tik, wo das individuelle Handeln in Gegenwart anderer sichtbar wird und

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