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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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248 PASSAGEN DER PRODUKTION<br />

unmöglich machten. <strong>Die</strong> konstitutionellen Besonderheiten eines jeden Nationalstaats<br />

waren in Marx' Augen durch unterschiedliche Profitraten in den<br />

unterschiedlichen Nationalökonomien und zugleich durch Unterschiede in<br />

den Ausbeutungsregimes bedingt ­ kurz gesagt, durch besondere staatliche<br />

Überdetermination der Verwertungsprozesse auf verschiedenen nationalen<br />

Entwicklungsstufen. Der Nationalstaat setzte auf eine eigentümliche Art<br />

Schranken. Unter diesen Bedingungen konnte eine allgemeine Staatstheorie<br />

nur aleatorisch sein und sich abstrakter Begriffe bedienen. Marx' Schwierigkeiten,<br />

die Bände des Kapital zum Staat und zum Weltmarkt zu schreiben,<br />

hängen so grundsätzlich miteinander zusammen: Der Band über den<br />

Staat konnte nicht geschrieben werden, bevor der Weltmarkt sich realisiert<br />

hatte.<br />

Marx' Denken orientierte sich an dem Moment, da der kapitalistische<br />

Verwertungsprozess und die politischen Herrschaftsprozesse zusammenlaufen<br />

und im Weltmaßstab ineinander übergehen. Der Nationalstaat spielt in<br />

seinem Werk eine nur ephemere Rolle. <strong>Die</strong> Prozesse kapitalistischer Entwicklung<br />

bestimmen Verwertung und Ausbeutung als Funktionen einer<br />

weltweiten Produktionsweise; jedes auf diesem Gebiet erscheinende Hindernis<br />

wird auf lange Sicht tendenziell aus dem Weg geräumt werden. Eine<br />

Marxsche Staatstheorie lässt sich demnach nur schreiben, wenn alle gesetzten<br />

Schranken überwunden sind und Staat und Kapital tatsächlich zusammenfallen.<br />

Mit anderen Worten: Im Niedergang des Nationalstaats wird<br />

das Verhältnis von Staat und Kapital im eigentlichen Sinn vollständig realisiert.<br />

Wie Fernand Braudel sagt: »Der Kapitalismus triumphierte nur dann,<br />

wenn er mit dem Staat identifiziert wurde, wenn er der Staat war.« (Braudel<br />

1986, 60) Heute ist es vielleicht endlich möglich (wenn man das Bedürfnis<br />

verspürt), Marx' beide fehlenden Bände zu skizzieren. Wenn man dem<br />

Geist der Marxschen Methode folgend seine Einsichten zum Staat und zum<br />

Weltmarkt zusammenbringt, wäre der Versuch zu machen, eine revolutionäre<br />

Kritik des <strong>Empire</strong> zu schreiben.<br />

Im <strong>Empire</strong> werden Analysen des Staats und des Weltmarkts noch aus<br />

dem anderen Grund möglich, dass an diesem Punkt der Entwicklung der<br />

Klassenkampf unbegrenzt auf die Organisation der Macht wirkt. Ist einmal<br />

das globale Niveau erreicht, sieht sich die kapitalistische Entwicklung ohne<br />

Vermittlung direkt der Menge gegenüber. Damit löst sich die Dialektik, also<br />

die Lehre von der Beschränkung und ihrer Organisierung, in Luft auf. Der<br />

Klassenkampf treibt den Nationalstaat in Richtung seiner Abschaffung,<br />

überschreitet so die von ihm aufgerichteten Grenzen und zwingt dergestalt

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